Präzisionsantriebe
Maßanzug von der Stange
Die Suche nach einem genau passenden Präzisionsantrieb abseits von Katalogprodukten gestaltet sich mitunter schwierig. Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler füllt diese Nische nun mit individuell konfigurierbaren Präzisionsantrieben.
Kundenspezifische Hardware-Lösungen, vor allem solche aus der Antriebstechnik, sind stets kostspielig. Und nicht für jede Applikation werden Stückzahlen erreicht, durch die sich der Entwicklungsaufwand rechtfertigen ließe. Innovative Start-ups und mittelständische Unternehmen, die sich neue Zielmärkte erschließen möchten und folglich anfangs auch nicht allzu hohe Stückzahlen benötigen, scheuen eine individuelle Entwicklung und das damit einhergehende unternehmerische Risiko.
Häufige Konsequenz: Entweder bietet der Markt Antriebe mit einem „Zuviel“ an Performance und Funktionen, was sich in unnötig hohen Kosten niederschlägt, oder der Antrieb erreicht in dem definierten Bauraum nicht vollständig die geforderte Performance und Funktionalität. „Die Lücke zwischen individuell entwickelten Servoantrieben für sehr hohe Stückzahlen auf der einen und Katalog-Servoantrieben aus dem Baukasten auf der anderen Seite schließen wir mit unseren modularen Präzisionsantrieben“, erzählt Marco Schnur, Product Management Robotics bei Schaeffler.
Präzisionswellgetriebe mit zwei USP
Kern und fixer Bestandteil der Präzisionsantriebe sind die bekannten Präzisionswellgetriebe der Baureihe RT1 von Schaeffler. Diese „Speed Reducer“ stehen in fünf Baugrößen von 14, 17, 20, 25 und 32 in den Übersetzungen 50, 80, 100, 120 und 160 für maximale Drehmomente von 36 bis 484 Nm zur Verfügung. Die Haupt- bzw. Abtriebslagerung besteht aus einem zweireihigen Schrägnadellager der Baureihe XZU von Schaeffer, welche exklusiv für die RT-Getriebe entwickelt wurden. Sie stellen den Benchmark dar bezogen auf den Bauraum von Kreuzrollenlagern.
Optional sind die Präzisionswellgetriebe noch mit einem vollintegrierten Drehmomentsensor ausgestattet. Das bedeutet, dass die DMS-Struktur des Sensors direkt auf den Flexspline des Wellgetriebes in Dünnschicht-Technologie aufgebracht ist.
Damit lassen sich gleich mehrere Nachteile lösen, die man bei anderen Sensorlösungen findet: Es wird keine zusätzliche Elastizität in den Antriebsstrang eingebracht. Die Torsionssteifigkeit bleibt also zu 100 % erhalten.
Durch die Dünnschicht-Technologie ist eine dauerhafte und sehr temperaturstabile Verbindung mit dem Flexspline garantiert. Und als weiterer Vorteil wird kein zusätzlicher Bauraum beansprucht. Das Gewicht der Sensoren ist in dieser Konstellation praktisch zu vernachlässigen. Dank der hohen Drehmomentdichte, der extrem steifen Abtriebslagerung und dem integrierten Drehmomentsensor können Anwender mit den RT1-Wellgetrieben äußerst kompakte, präzise und sensitive Antriebe realisieren.
Modular in vier Stufen
Mit der Präzisionsgetriebebaureihe können jetzt betriebsbereite Servoantriebe in vier Ausbaustufen wie folgt individuell konfiguriert werden:
- Basic: RT1-Präzisionswellgetriebe und Antriebsmotor nach Kundenwunsch
- Classic: RT1-Präzisionswellgetriebe und Antriebsmotor + Encoder nach Kundenwunsch
- Premium: RT1-Präzisionswellgetriebe und Antriebsmotor + Encoder (an- und abtriebsseitig) + integrierter Standard-Antriebsregler nach Kundenwunsch. Der Antrieb wird mit dem passenden Parametersatz vorkonfiguriert und kann nach Anschluss an die Spannungsversorgung und Steuerung sofort in Betrieb genommen werden.
- Premium+: Die höchste Option verfügt standardmäßig über den integrierten Drehmomentsensor, sowie über den bekannten Antriebsregler Somanet Circulo von Synapticon. Dieser ermöglicht ein äußerst kompaktes Packaging bei gleichzeitiger Nutzung der Hohlwelle. Zudem ist eine einfache Integration in moderne Steuerungsarchitekturen via EtherCat (FsoE) gegeben. Die Encoder können antriebs- und auch abtriebsseitig integriert sein.
Zielmärkte und Kundenresonanz
Die primären Zielmärkte der modularen Präzisionsantriebe von Schaeffler liegen außerhalb der typischen Robotik. „Unser Angebot passt für unterschiedlichste Branchen, Applikationen und Kundenkreise. Das können Start-ups sein, die einen einbaufertigen und geprüften Präzisions-Servoantrieb einsetzen möchten oder auch Mittelständler, die vor sehr speziellen Positionieraufgaben stehen“, erklärt Marco Schnur.
Die Projektanfragen kommen zum Beispiel aus der Landtechnik – hier sind es vor allem Ernteroboter –, der Werkzeugmaschinenindustrie, der Medizintechnik mit invasiver Robotik, OP und Bildgebung, der Fabrikautomation und etlichen weiteren Branchen.
Ein Muster ist nach Angaben der Schaeffler-Entwickler unter allen Kundenanfragen deutlich sichtbar: Man möchte sich auf die eigenen Kernkompetenzen im R&D-Bereich konzentrieren und den Antrieb als „serienreife Blackbox“ mit vorgegebenen Leistungsdaten behandeln. Der Anteil der Erstmuster mit dem internen Drehmomentsensor sowie dem integrierten Antriebsregler ist bemerkenswert hoch, was für die Innovationsfähigkeit der Premium+ Antriebe spricht.
Autor: Jochen Krismeyer, Fachjournalist für Antriebs- und Automatisierungstechnik in Nürnberg,
Bilder: Schaeffler Technologies AG & Co. KG