Condition Monitoring

„Wir bringen den Antrieb auf den Punkt“

„Wir bringen den Antrieb auf den Punkt“

Mit AIQ hat Flender ein System entwickelt, das Antriebe stets im Blick hat. Es liefert jederzeit und überall Sensordaten, Analysen und Handlungsempfehlungen – sei es über ein Online-Portal oder die mobile App für Servicetechniker vor Ort. Chefredakteur Dirk Schaar sprach über die Vorteile und Möglichkeiten mit Julia Zundel, Head of Digital Business bei Flender in Voerde. 

 

Mit AIQ bringen Sie Ihren Antrieb auf den Punkt – mit diesem Slogan werben Sie für Ihr neues System. Welche spezifischen Vorteile bietet das AIQ System im Vergleich zu herkömmlichen Condition Monitoring-Lösungen? 

Das AIQ-System bietet gegenüber herkömmlichen Condition Monitoring-Lösungen den Vorteil, dass es speziell auf jedes Getriebe abgestimmt ist. Jedes neue Getriebe wird mit einem Sensor und präziser Analytik ausgeliefert. Die Sensoren sind tief im Getriebe integriert und liefern detaillierte Informationen, z. B. zur Verzahnung oder Lagerzustand. Das System erkennt zudem die Ausrichtung des Antriebsstrangs und schlägt bei Abweichungen sofort Alarm. Im Gegensatz zu allgemeinen Smart Sensoren liefert AIQ konkrete Handlungsempfehlungen, die exakt auf das Getriebe zugeschnitten sind. Auch ältere Getriebe lassen sich nachrüsten und werden per App konfiguriert, inklusive aller relevanten Daten. 

 

Wie genau hilft AIQ dabei, ungeplante Stillstände um bis zu 70 % zu reduzieren? 

Das AIQ-System reduziert ungeplante Stillstände um bis zu 70 % durch frühzeitige Erkennung potenzieller Schäden und präventive Maßnahmen. Viele vermeidbare Schäden, wie falsche Ausrichtung von Getriebe und Motor, werden rechtzeitig erkannt. Auch überwacht AIQ die Betriebsbedingungen, wie die Öltemperatur beim Start. Bei niedrigen Temperaturen kann das Getriebe Schaden nehmen, wenn das Öl noch nicht die optimale Viskosität erreicht hat. AIQ empfiehlt daher, das Getriebe zunächst im Leerlauf zu betreiben. Das System lernt das Schwingungsverhalten des Getriebes und erstellt einen „Fingerprint“, um bei Abweichungen Alarm zu schlagen. 

Können Sie genauer erläutern, wie AIQ zur Verlängerung von Wartungsintervallen beiträgt und welche praktischen Auswirkungen das auf den Betrieb hat? 

AIQ trägt dazu bei, Wartungsintervalle zu verlängern, indem es den Wartungsbedarf präzise und bedarfsgerecht steuert. Statt regelmäßiger, oft unnötiger Wartungen, wie sie heute üblich sind – etwa monatlich oder jährlich – erfasst AIQ kontinuierlich relevante Betriebsdaten wie Drehzahl, Schwingungen und Öltemperatur. Auf Basis dieser Daten kann der Zustand von Getrieben überwacht und Wartungen dann durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind, etwa wenn die Lagerlebensdauer abläuft. Dadurch lassen sich Wartungen effizienter planen und die Betriebszeiten optimieren. Zusätzlich hilft ein Wartungstagebuch in der App oder im Portal, die Dokumentation zu verwalten. Die erfassten Daten – wie Schwingungen, Drehzahl und Öltemperatur – liefern wertvolle Informationen für die Zustandsüberwachung und Optimierung des Getriebes. Beispielsweise können Temperaturdaten zur Optimierung eines E-Lüfters oder der Heizung verwendet werden. Weitere Optimierungen ergeben sich durch Betriebsstundenzähler und Drehzahlanalysen, die für eine präzisere Auslegung zukünftiger Anlagen genutzt werden können. AIQ bietet zudem ein modulares System, das sich flexibel an unterschiedliche Applikationen anpassen lässt, um auch weitere externe Daten, wie etwa Motoren- oder Generatorendaten, zu integrieren. 

Wie hilft AIQ dabei, das Downsizing-Potenzial von Getrieben zu identifizieren und Investitionskosten zu senken? 

Kleinere Getriebe ermöglichen kleinere Motoren und damit eine effizientere gesamte Anlage. Vor der Markteinführung von AIQ sammelten wir gemeinsam mit Kunden über längere Zeit Lastdaten im Feld und entdeckten, dass viele Getriebe überdimensioniert sind – oft um 30 bis 60 %. Das führte zur Entwicklung einer speziellen Drehmomentvariante auf Basis des AIQ Core, die die tatsächliche Last präzise erfasst. 

Diese Daten ermöglichen eine optimale Dimensionierung des gesamten Antriebsstrangs und helfen, das Downsizing-Potenzial voll auszuschöpfen. So lassen sich sowohl Investitions- als auch Betriebskosten reduzieren. Ein Kunde konnte beispielsweise durch die Analyse seiner Lastdaten nicht nur das Getriebe, sondern auch das gesamte Stahlgerüst seiner Anlage verkleinern. Zusammen mit unseren Kunden erstellen wir eine Datenbank für Lastdaten, um zukünftige Anwendungen noch besser zu optimieren. Diese enge Zusammenarbeit führt zu besseren und kostengünstigeren Lösungen für beide Seiten. 

AIQ besteht aus mehreren Komponenten, Core, Detect, usw. – Was benötigt der Anwender und wie findet er sich da bei der Vielzahl zurecht? 

AIQ besteht aus mehreren aufeinander aufbauenden Komponenten, die eine flexible und skalierbare Lösung bieten. Für neue Standardgetriebe empfehlen wir, mit der Basislösung „Core“ zu starten. Core ist die zentrale Intelligenz für alle Getriebe und umfasst grundlegende Sensoren sowie Analytik. Eine App ermöglicht den Bluetooth-Zugriff auf Live-Daten, ohne sich anzumelden, und bietet die Möglichkeit die Ausgänge zu konfigurieren. Core kann in eine SPS integriert und auch über WLAN in ein Portal eingebunden werden. Es bietet Varianten für Echtzeitdaten über digitale Schnittstellen und kann als Retrofit-Lösung für bestehende Getriebe nachgerüstet werden. Zusätzlich gibt es „Detect“, das speziell für Kupplungen entwickelt wurde und kontinuierlich die Steifigkeit der Elastomere misst, um Alterung frühzeitig zu erkennen. Detect alarmiert den Kunden über die App oder eine SPS, wenn Wartung erforderlich ist. Für komplexere Anwendungen wie große Bandanlagen gibt es „Edge“, das alle Komponenten vernetzt und das Verhalten der gesamten Anlage überwacht. Insgesamt bietet AIQ modulare Lösungen, die je nach Bedarf maximale ­Effizienz und Kosteneinsparungen ermöglichen. 

Welche Vorteile bietet die kontinuierliche Drehmomentmessung durch AIQ Core Torque und wie beeinflusst sie die Antriebseffizienz? 

Die kontinuierliche Drehmomentmessung durch AIQ Core Torque bietet vor allem den Vorteil, Schäden frühzeitig zu verhindern. Beispielsweise kann die Steuerung automatisch abschalten, bevor es zu einem schädlichen Laststoß kommt – wie bei Rollenpressen, wenn plötzlich ein zu großer Gesteinsbrocken durch die Maschine läuft. Ebenso können Probleme wie verklebte Schnecken in Extrudern vermieden werden, bevor aufwändige Reparaturen nötig sind. Darüber hinaus ermöglicht die Drehmomentmessung eine genauere Prozessüberwachung. In Rührprozessen kann das Verhalten des Mediums präziser gesteuert und optimiert werden, da man durch die Messung nah am Geschehen ist. Zudem können ineffiziente Lastzustände erkannt werden: Viele Anlagen laufen unter Last und nutzen das volle Potenzial ihrer Getriebe nicht. Optimal wäre ein Betrieb bei 80 bis 100 % Last, was den Wirkungsgrad auf bis zu 98 % steigert. Betriebe, die dauerhaft bei niedriger Last fahren, arbeiten ineffizient. Mit der Drehmomentmessung kann dies erkannt und optimiert werden, um die Antriebseffizienz zu maximieren. 

Welche Rolle spielt die AIQ Analytics Plattform bei der Analyse von Anlagendaten und der Verbesserung von Wartungsstrategien? 

Die AIQ Analytics Plattform ist entscheidend für die Analyse von Anlagendaten und die Optimierung von Wartungsstrategien. Sie bietet eine übersichtliche Darstellung aller verbundenen Getriebe und Kupplungen, sodass Techniker den Status der Anlagen auf einen Blick erfassen können. Wichtige Informationen wie Betriebsstunden und bevorstehende Wartungen werden klar dargestellt, was eine effiziente Planung ermöglicht. Besonders wertvoll sind die detaillierten Handlungsempfehlungen: Bei Abweichungen wie erhöhten Schwingungen gibt die Plattform konkrete Schritte vor, von einfachen Inspektionen bis zu spezifischen Wartungsmaßnahmen. So unterstützt sie Kunden direkt und ermöglicht effiziente Wartungen ohne externe Experten. Für fortgeschrittene Nutzer bietet die Plattform die Möglichkeit, tiefgehende Datenanalysen durchzuführen, um präventive Wartungsentscheidungen zu treffen und die Anlagenverfügbarkeit zu maximieren. 

Wie lässt sich die AIQ App in den alltäglichen Betrieb von Servicetechnikern integrieren und welche Funktionen stehen im Vordergrund? 

Die AIQ App lässt sich problemlos in den Arbeitsalltag von Servicetechnikern integrieren, da sie den Wartungsaufwand reduziert und die Anlagensicherheit erhöht. Die App ermöglicht eine präventive Wartung, indem sie potenzielle Probleme frühzeitig erkennt. Der Servicetechniker sieht den aktuellen Zustand des Getriebes direkt in der App, ohne separate Schwingungsmessungen oder Öltemperaturkontrollen durchführen zu müssen. Die App zeigt übersichtlich an, wann ein Ölwechsel oder Lageraustausch fällig ist. Ein großer Vorteil ist dabei, dass der Techniker für all diese Informationen nicht mehr vor Ort sein muss, was gerade bei großen und verstreuten Anlagen wie im Mining-Bereich erhebliche Vorteile bietet. 

Das Interview führte Dirk Schaar, Leitender Chefredakteur 

Teilen

Fachartikel Antreiben