Unternehmen

Die Säulen der Bewegung

Tsubaki Kabelschlepp ist Eperte für bewegte Komponenten und Erfinder der Energiekette. Um die besonderen Stärken und Eigenschaften aber voll zur Geltung zu bringen, beruht das Unternehmen auf Säulen, die die Basis bilden und Halt geben.  

Es war damals schon eine aufregende Nachricht, als durchsickerte, dass das Traditionsunternehmen Kabelschlepp von einem japanischen Unternehmen namens Tsubaki komplett übernommen werden sollte. Stellt sich die Frage, wie die Zusammenarbeit heute funktioniert. Dazu Geschäftsführer Henning Preis: „Im Grunde genommen ideal: Tsubaki denkt langfristig und gibt uns die Chance, uns selbst langfristig erfolgreich auszurichten. Im Konzern können wir auf ganz andere Mittel und Vertriebswege zugreifen. So haben wir die globale Verantwortung für das Energieführungskettengeschäft übernommen. Wir bringen die Expertise des Erfinders mit und nutzen gemeinsam die weltweiten Strukturen. Das gilt nicht nur für den Vertrieb, sondern auch für R&D, Produktion und andere Bereiche.“ 

Frank Springer, Vice President Marketing and Innovation, ergänzt: „Die Übernahme war ambitioniert, wir mussten uns am Anfang anstrengen, einen Masterplan zu entwickeln, wie die Integration bestenfalls ablaufen kann. Aber wenn die Fakten auf dem Tisch liegen und Beschlüsse fallen, ist eine japanische Mutter sehr verlässlich.“  

Immer nahe am Kunden 

Die sichere Verankerung bei der Mutter ist sicherlich die erste wichtige Säule, aber was wäre die ohne einen erfolgreichen Vertrieb mit dem dementsprechenden Umsatz? Henning Preis hat ein Konzept: „Auch in dieser momentan schwierigen Zeit halten wir daran fest, unseren Kunden innovative Lösungen anzubieten und hierdurch langfristige Partnerschaften zu schaffen.“ Hier kommen dann weitere Säulen zum Tragen, wie Komplettlösungen wie die TotalTrax-Systeme, also Plug-and-play-Lösungen für die Kunden. Denn generell möchte Kabelschlepp verstärkt alles aus einer Hand bieten. „Kette verkaufen ist schön, aber richtig schön wird‘s erst mit Leitung samt Blechen einbaufertig in die Maschine“, so Springer. „Heute nennen wir das Customizing, wir müssen unsere Produkte und Systeme also für den Kunden immer wieder modifizieren.“ 

Verbunden ist dies mit einer gezielten Branchen- und Nischenspezialisierung wie dem Protum Office Programm für Büromöbel, der sich nach und nach vergrößert und zum globalen Erfolg geworden ist. „So können wir auf nahezu alle Wünsche des Kunden eingehen, Rundum-sorglos-Pakete anbieten, komplette Baugruppen zu liefern“, freut sich der Geschäftsführer. Es geht um strategische Produkte, die neue Bereiche erschließen. 

Eine dritte Säule in dem Zusammenhang ist die regionale Diversifizierung. „Ein Kunde in Indien oder China hat nicht notwendigerweise die gleichen Bedürfnisse wie ein Kunde aus Deutschland.“ 

Der Vertrieb spiele nach wie vor eine zentrale, wenn auch veränderte Rolle. „Wir entwickeln uns hin zu einem hybriden Vertrieb, wir müssen also die persönliche Präsenz mit einem ausgewogenen Mix an digitalisierten Angeboten verknüpfen. Zum Beispiel über automatisierte Konfiguratoren oder digitale Kontaktmöglichkeiten. Ich bin aber davon überzeugt, dass die persönliche Kontaktaufnahme und -pflege auch in Zukunft am wichtigsten sein wird. Unser Vertrieb ist hierfür aktuell gut aufgestellt, allerdings werden wir in Zukunft eine deutlich volatilere Welt mit häufigeren Anpassungsnotwendigkeiten erleben.“ Frank Springer: Wir wollen vertrieblich noch aktiver werden mit dem richtigen Produktprogramm.“ 

Es gebe nicht nur eine Branche, in der Kabelschlepp tätig ist. „Wir stellen Komponenten aus Kunststoff und Metall her, für eine unglaubliche Vielzahl an Anwendungsfällen und Branchen. Das macht es interessant und spannend, sich immer wieder neu auszurichten und mit den Kunden Lösungen zu erarbeiten und anzubieten. Unser Hauptwerkstoff ist Kunststoff, er ist ideal für nachhaltige, recyclingfähige Prozesse“, fasst Preis zusammen. 

Rund um die Energiekette 

Elementar für den Vertrieb und ein Unternehmen generell ist natürlich das, was hergestellt wird. Bei Kabelschlepp bilden Energieketten die stärkste Säule im Portfolio. Was ist das Besondere daran, welche Anforderungen gibt es? Frank Springer: „Die Anforderungen an Energieketten sind so vielfältig wie die Anwendungen in den verschiedenen Industrien. Je nachdem wie die Umgebungsbedingungen, Bauräume oder Maße sind, braucht es die richtigen Materialien, denn die Kette soll so lange wie möglich halten. Eine Stahlkette kann auf einer Bohrinsel oder einem Stahlwerk zum Einsatz kommen, Hybrid als Mischform an einer Kunststoffflasche, die Kunststoffkette in sehr vielen Bereichen. Wir machen den Werkstoff abhängig von dem, was die Anwendung erfordert. All das können wir frei tun, weil wir über die Mittel verfügen und die Prozesse sauber voneinander getrennt haben.“ 

Hier kommen die konkreten Produkte als tragende Säule ins Spiel. Für Frank Springer ist dabei die Kette für den Maschinenbau aktuell ein wichtiger Schwerpunkt. „Die Modelle 1775 oder die 1995 eignen sich sehr gut für Werkzeugmaschinen in puncto Dimensionen, Haltbarkeit und Stabilität. Die gedeckelten Ketten der Serie TKA schotten Kabel von der Umgebung ab und sorgen dafür, dass sie möglichst lange halten und teure Maschinenausfälle verhindern werden.“ 

Ein weiterer Bereich sind die langen Verfahrwege in schmutziger Umgebung, den Kabelschlepp weiter bedienen will. „Nach wie vor bedienen wir intensiv die klassischen Bereiche wie Automotive mit speziellen Produkten, die schneller, variabler und leichter sind“ so Springer. „Es wäre unternehmerisch nicht klug, einen erfolgreichen Bereich zu verlassen.“ 

Henning Preis: Mit unseren Produkten bewegen wir uns größtenteils in einem Verdrängungsmarkt. In den seltensten Fällen geht es darum, mit komplett neuen Produkten in neue Märkte vorzustoßen. Der Fokus liegt vielmehr auf dem Mehrwert für unsere Kunden. Das eigentlich Spannende ist, unsere eigenen Produktionsprozesse ständig zu optimieren, Kosten zu reduzieren, um weiterhin attraktive Preise anzubieten. Wir wollen dem Kunden aber auch mit technischem Rat zur Seite stehen, seine Probleme lösen, und helfen,  
seine Prozesse zu optimieren.  

Das Portfolio gestalten 

Immer entscheidend beteiligt ist die Entwicklungsabteilung. In dieser Säule entstehen neue Produkte, Serien und Linien. Die Entwicklung ist dreigeteilt: Weiterentwicklung, Neuentwicklung, industriespezifische Produkte. Peter Pütz, Vice President Marketing and Innovation: „Das hört nie auf bei uns. Wir betreiben eine akribische Pflege unseres Produktportfolio wie Zubehör oder Anschlusselemente, die der Markt verlangt.“  

Dazu hat Kabelschlepp als weitere Säule ein komplettes Test- und Entwicklungszentrum in einem separaten Gebäude etabliert. „Dort können wir alle erdenklichen Standardtests durchführen“, erzählt Peter Pütz. „Bei einer Neuentwicklung durchlaufen wir bestimmte Prozeduren, sei es Streckung oder Durchbiegung. Es gibt keine Kette in unserem Portfolio, die diese Prozeduren nicht bestanden hat. Dabei richten wir uns auch nach Spezifikationen unserer Kunden.“ Für bestimmte Laufrollen etwa wird der mechanische Impact im Testlabor nachgestellt, um Verbesserungen zu erreichen oder Probleme abzustellen. 

Am Rande des Firmengeländes befindet sich der Outdoor-Teststand. „Der ist fürs Grobe gedacht“, sagt Pütz, „für die üblichen Verfahrwege von 115 Metern bei Kränen. Dazu fahren wir so genannte Entladezyklen in verschiedene Richtungen und Längen, mit bis zu 5 Meter pro Sekunde. Hier im Sauerland haben wir zudem alle erdenklichen Wetterbedingungen - mal warm, mal kalt, mal nass – sehr anstrengend für Energieketten. So bekommen wir realistische Testbedingungen.“ 

Intelligent und additiv  

Wie es um ein Produkt bestellt ist, vermitteln zunehmend Sensoren und intelligente Systeme, die eine Zustandsüberwachung ermöglichen. „Solche smarten Produkte bilden bei uns eine wachsende Säule. Der Anwender kann sicherer arbeiten, wenn er weiß, wie es um sein System steht und wann er etwas tun muss“, sagt Peter Pütz. „Überwachung ist das A und O, denn das Thema Verschleiß ist in unserer Branche wichtig und allgegenwärtig. Ziel ist, zu überwachen und dem Kunden eine Meldung zu schicken, wenn sich etwas zum Schlechten verändert.“ 

Das Entwickler-Team hat dazu ein System kreiert, bei dem die Versorgung der Sensorik nicht in der Kette sitzt, sondern im Führungskanal. „Das Ganze ist in einem Hutschienenmodul verpackt, das der Anwender leicht direkt an der Maschine bedienen kann. Dazu kann er vorher die Grenzwerte genau und selbstständig festlegen.“  

Seit kurzem steht ein roter Container als neue Säule mitten in der Fertigung. Dort hat Peter Pütz seine additive Fertigung eingerichtet: „Wir versprechen uns viel von dieser neuen Möglichkeit, können sehr schnell Lösungen anbieten oder Prototypen entwickeln, um so in der Entwicklung flexibler zu reagieren. Wir können Produktionsmittel herstellen und insgesamt ein breites Spektrum zur Verfügung stellen. Wir könnten sogar Kleinserien fertigen.“ Die Kollegen aus Arbeitsvorbereitung und Fertigung seien hochmotiviert und die Integration ging zügig vonstatten. Neuestes „Baby“ ist eine sehr moderne 3D-Messtechnik, um das Spektrum noch einmal zu erweitern und in der Lage zu sein, Bauteile sehr genau zu scannen.“ 

Nachhaltigkeit im Sinn 

Zu guter letzt geht es auch bei Kabelschlepp massiv um das Thema Nachhaltigkeit, wie etwa die CO₂-Reduktion. Frank Springer: „Vor einigen Jahren kam mein Chef auf mich zu und sagte, dass sich Kabelschlepp der Aufgabe stellen muss. Unser Mutterkonzern Tsubaki in Japan hat das Thema hoch aufgehängt und auch ihm persönlich wäre es wichtig, Nachhaltigkeit im Unternehmen zu etablieren.“  

Springer weiter: „Ich sollte der Verantwortliche für dieses Projekt sein und schnell hat sich das zu einem umfassenden Arbeitsbereich erweitert, denn die Nachhaltigkeit durchdringt alle Unternehmensbereiche. Es aber von Anfang klar, dazu umfangreich zu investieren, in neue Maschinen, Mess- und Regeltechnik, Photovoltaik oder Ladestationen. Dazu habe ich mir die grundsätzliche Bereitschaft eingeholt.“ 

Frank Springer konnte mit seinem Team die Kennwerte Scope 1 und 2 bereits überschreiten. Jetzt ist Scope 3 in den Vordergrund gerückt, der übergreifende Dinge wie die Supply Chain aber auch Lieferanten und Mitarbeiter miteinschließt. Je größer der untersuchte Bereich aber wird, desto größer auch die Emissionen. „Nach zwei Jahren haben wir 50 bis 60 Prozent des Gesamtprojekts betrachtet. Wir haben unsere Lieferkette durchleuchtet, die Regeln für Dienstwagen verschärft, viele Dinge in den Maschinen geändert. Wir haben auf Grünstrom und Ökogas umgestellt, Messpunkte eingerichtet, um Spitzenlasten zu ermitteln. Wir setzen komplett auf LED Beleuchtung und verwenden die Abwärme von den Großmaschinen als Heizungen. So verbrauchen wir 80 % weniger Gas. Wir sind auf einem sehr guten Weg bis 2030. Ziel ist, bis dahin um 30 % abzubauen, sonst werden wir es nicht schaffen, bis 2045 klimaneutral zu sein.“ 

Schwer ist allerdings, die Lieferanten dazu zu bewegen, zu sagen, wie viel die Dinge, die wir von ihnen beziehen, emittieren, weiß Springer. „Kaum einer ist derzeit in der Lage, seine Produkte präzise zu bilanzieren. Wir selbst sind das auch noch nicht, wollen aber in einigen Jahren Auskunft auf Produktebene geben können.“ 

Frank Springer will die begonnenen Projekte konsequent weiterführen, aber nicht zu viele Baustellen auf einmal aufmachen. „Wir müssen die Softwareprogramme, um alles zu steuern, perfektionieren, aber die Basis läuft bereits gut.“ 

Ausdruck der Firmenphilosophie ist die „Wilde Wiese“, die laut Frank Springer blüht und gedeiht. „Wir haben neue Bäume gepflanzt, Gemüse aus der Region und Bienen sowie ein Azubi-Projekt laufen, was auch einen Teich anlegen wird. Klar gewollt ist, das weiterzuführen, damit die Mitarbeiter ihr Pausenbrot dort genießen können. Alle vier Wochen veranstalten wir zudem ein Grillfest, wo das Management stark mit eingebunden ist.“ 

Autor: Michael Kleine 

Bilder: Kabelschlepp, Michael Kleine 

Was sind derzeit die größten Herausforderungen? 

Die momentane Situation ist insbesondere durch die schwache Wirtschaft in Deutschland, aber auch in weiten Teilen der Welt gekennzeichnet. Wir bewegen uns in einer äußerst volatilen Situation durch hohe Kosten sowie die immer weiter wachsenden bürokratischen Hürden und Hemmnisse. Natürlich tragen auch die beiden Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten zu einer weiteren Verschärfung der Situation bei.  

Die größte, bleibende Herausforderung ist sicherlich der Fachkräftemangel, und hierdurch bedingt eine geänderte Einstellung zur Arbeit. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sind gezwungen, komplett andere Wege zu gehen, um Mitarbeiter zu finden und sie an das Unternehmen zu binden. 

Auf welche Trends müssen Sie sich einstellen? 

In erster Linie auf eine bleibende Verteuerung von Ressourcen, in zweiter Linie der Arbeit. Hier müssen schnell und kontinuierlich Automatisierungslösungen gefunden werden, um dem entgegenzuwirken. Der momentane Hype um KI wird sicherlich auch zu gravierenden Veränderungen in allen Bereichen von Unternehmen führen. Dazu müssen wir aber erst ein Verständnis schaffen. 

Ein weiteres Zukunftsthema ist die additive Fertigung von Produkten. Zudem müssen Unternehmen alle Entscheidungen auch auf die Umweltziele ausrichten. Vor allem für uns wird das zu gravierenden Veränderungen führen, da wir mit Kunststoff als Hauptgrundstoff unserer Produkte arbeiten. Recyc­ling steht da für uns ganz weit vorne. 

Teilen

Fachartikel Automatisieren