Digitalisierung
Die Steuerung wird virtuell
Die Unflexibilität und geschlossene Architektur von SPSen stellen in der heutigen dynamischen Umgebung eine Herausforderung dar. Wie lässt sich dieses Manko überwinden? Phoenix Contact hat Lösungen.
Bei einer virtuellen Steuerung handelt es sich, wie der Name schon sagt, um eine softwarebasierte Variante der klassischen SPS, die in einer virtuellen Umgebung läuft. Herkömmliche Steuerungen sind auf eine spezielle Hardware angewiesen, die eigens für industrielle Steuerungsaufgaben entwickelt wurde. Im Gegensatz dazu arbeitet eine virtuelle Steuerung auf konventioneller Hardware, zum Beispiel einem Industrie-PC oder Server. Dies wird durch Virtualisierungstechnologien ermöglicht, auf deren Grundlage sich die Funktionalitäten einer klassischen SPS in eine softwarebasierte Form übertragen lassen.
Die Architektur einer virtuellen Steuerung besteht grob gefasst aus drei Schichten. Als erstes sei die Virtualisierungsschicht genannt, die die virtuelle Umgebung bereitstellt, in der die virtuelle Steuerung läuft. Diese Schicht isoliert die Steuerungssoftware von der physischen Hardware. Auf diese Weise wird die Flexibilität geschaffen, die zum Betrieb der virtuellen Steuerung auf verschiedenen Plattformen notwendig ist. Die zweite Schicht bildet die Laufzeitumgebung, auch als Runtime-Umgebung bezeichnet. Auf ihr wird die SPS-Logik abgewickelt, die beispielsweise die Ansteuerung der einzelnen Ein- und Ausgangsprozessdaten verantwortet. Die Laufzeitumgebung kann mit unterschiedlichen Automatisierungsprotokollen und -standards interagieren. Unter die dritte Schicht fallen die Kommunikationsschnittstellen. Sie erlauben den Datenaustausch der virtuellen Steuerung mit anderen Geräten und Systemen, etwa klassischen Feldbussen, Ethernet-basierten Protokollen oder modernen IoT-Schnittstellen.
Zentrale Durchführung
Der Einsatz von virtuellen Steuerungen bringt etliche Vorteile mit sich. So lassen sie sich schnell und einfach anpassen, skalieren und migrieren, ohne dass eine physische Modifikation der Hardware erforderlich ist. Insbesondere in dynamischen Produktionsumgebungen, in denen sich Anforderungen an die Steuerungseinheit kurzfristig ändern können, erweist sich diese Eigenschaft als wichtig.
Ein weiterer Vorteil liegt in der Kosteneffizienz: Durch die Verwendung vorhandener Hardware sowie die Reduzierung des Bedarfs an spezialisierten Steuerungsgeräten können Unternehmen erhebliche Einsparungen erzielen. Nutzbringend sind darüber hinaus die einfache Wartung und Integration: Der Anwender kann Software-Updates und Wartungsarbeiten zentral und ohne physische Eingriffe durchführen, was die Stillstandzeiten der Automatisierungsanlagen minimiert. Die Fähigkeit, auf Standardhardware zu laufen, erlaubt eine leichtere Einbindung der virtuellen Steuerung in bestehende IT-Infrastrukturen und fördert die Konvergenz von IT und OT.
Neben den beschriebenen Vorteilen sind verschiedene Herausforderungen zu nennen. Für viele industrielle Anforderungen ist Echtzeitfähigkeit unabdingbar. Um diese hohen Ansprüche an die Reaktionszeit zu erfüllen, müssen die Latenzzeiten in virtualisierten Umgebungen deutlich gesenkt werden. Ferner zeigen sich die Sicherstellung von Security-by-Design sowie die Implementierung robuster Sicherheitsmaßnahmen als entscheidend für den Einsatz der virtuellen Steuerung auf Standard-IT-Systemen.
Bei PLCnext Technology von Phoenix Contact handelt es sich um ein offenes Ecosystem für aktuelle und zukünftige Automatisierungsanforderungen. Dabei ermöglicht die Technologie die Kombination von Automatisierungsaufgaben und IIoT-Ansprüchen in einem Gerät. Abgesehen von der Steuerungshardware umfasst das Ecosystem die modulare Softwareplattform PLCnext Engineer, den digitalen Marktplatz PLCnext Store, die informative PLCnext Community sowie die Option einer systemischen Cloudintegration.
Die innovative Firmware-Architektur setzt auf einer Linux-Plattform auf, sodass der Anwender neben dem IEC61131-3-Code ebenfalls zahlreiche Hochsprachen – zum Beispiel C, C++ oder C# – und Regelalgorithmus-Modelle aus Matlab/Simulink zum Ablauf im Echtzeitkontext einer deterministisch arbeitenden SPS verwenden kann.
Ein Steuerungsprogramm besteht somit aus lediglich einer oder einem beliebigen Zusammenspiel der aufgelisteten Programmiersprachen. Die Anwender können den Code folglich in der von ihnen präferierten Entwicklungsumgebung erstellen, weshalb sich der Programmiervorgang erheblich beschleunigt. Außerdem lassen sich mit dem offenen Ecosystem eigene Erweiterungen mit Linux-basierten Komponenten vornehmen, beispielsweise ein Datenmanagement oder zusätzliche Kommunikationsprotokolle. Die funktionalen Erweiterungen kann der Anwender in unterschiedlichen Programmiersprachen, wie Python oder Java, sowie mit verschiedenen Technologien umsetzen – von der Nutzung von Open-Source-basierten Programmen bis zur Ausführung von Container Images.
Nahtlose Verschiebung
Die Kombination von Virtual PLCnext Control und PLCnext Technology erschließt neue Möglichkeiten in der Automatisierungswelt. Durch die Virtualisierungstechnologie lassen sich Steuerungsaufgaben von physischen Geräten abstrahieren und auf leistungsfähigen Rechnerarchitekturen ausführen. Auf diese Weise ergeben sich mehr Flexibilität, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz.
Bei der Virtual PLCnext Control handelt es sich um ein Softwarecode-Paket in Form eines OCI-Containers, das die von den hardwarebasierten PLCnext Controls vertraute Umgebung mit Funktionen, Bedien- und Programmiermöglichkeiten bietet. Die virtuelle Lösung erlaubt auch eine nahtlose Einbindung in vorhandene Systeme, kombiniert OT- und IT-Sicherheit und optimiert die Kosten aufgrund der Konsolidation mehrerer PLC-Instanzen.
Die einfache Wartung und Updatebereitstellung sowie die Option, Applikationen nahtlos zwischen unterschiedlichen Hardwareplattformen zu verschieben, machen die Virtual PLCnext Control zu einer zukunftssicheren und kosteneffizienten Lösung für die Industrieautomation. Durch maßgeschneiderte Lizenzmodelle und Mengengerüste lässt sich die virtuelle Steuerung sowohl in Applikationen mit hohen Anforderungen ebenso wie in einfachen und kostensensitiven Projekten verwenden.
Zukunftssichere Lösung
PLCnext Technology und die Virtual PLCnext Control bringen die Automatisierungstechnik weiter voran. Mit ihnen steht eine offene, flexible und leistungsfähige Plattform zur Verfügung, die den Anforderungen der modernen Industrie gerecht wird. Durch die Synergie zwischen dem Ecosystem und der virtuellen Steuerung erhalten die Anwender eine zukunftssichere Lösung für verschiedene Applikationen auf der Grundlage neuer, innovativer Ansätze.
Autor: Rudolf Braun, Produktmanager in der Business Unit Control Systems, Phoenix Contact Electronics GmbH, Bad Pyrmont
Bilder: Phoenix Contact