Energieketten

Glänzende Züge

Glänzende Züge

Defekte Energieketten sorgten in der Zugwaschanlage der staatlichen Eisenbahngesellschaft Luxemburgs immer wieder für teure Schäden und Zugausfälle. Die Verantwortlichen sind deshalb im Rahmen einer Modernisierung auf sensorgestützte und vernetzte E-Ketten von Igus umgestiegen.  

 

Ein Reh ist vor den Zug gesprungen. Eine Stromleitung defekt. Das Personal knapp. Gründe gibt es viele, warum sich Menschen an Bahnsteigen die Beine in den Bauch stehen. Weniger bekannt: Die Zugwaschanlage ist defekt. Auch das kann zu Zugausfällen führen, weiß die Société Nationale des Chemins de Fer Luxembourgeois (CFL). Die staatliche Eisenbahngesellschaft Luxemburgs betreibt eine gigantische Indoor-Waschanlage für Züge. 200 m lang. Bestehend aus acht Waschwagen, vier auf jeder Seite, die auf rund 50 m langen Streckenabschnitten auf einem Schienensystem den Zug entlangfahren und ihn mit rotierenden Bürsten säubern. Schläuche und Leitungen für Energie, Druckluft, Wasser, Reinigungsmittel und Daten folgen den Wagen dabei in robusten Energieketten aus Hochleistungskunststoff von Igus. 

24/7-Betrieb machte alten Energieketten zu schaffen  

Das Problem: Die Zugwaschanlage arbeitet 24 Stunden pro Tag, sieben Tage pro Woche. Pausenlos sind die Energieketten daher Luftfeuchtigkeit, Nässe, chemischen Reinigungssubstanzen und Schmutz ausgesetzt. „Das führte dazu, dass die alten Energieketten immer wieder ausfielen und zeitaufwendige Reparaturmaßnahmen nötig wurden – teilweise auch nachts oder an den Wochenenden“, erläutert Mike Feinen, Wartungsleiter der Waschanlage im Centre opérationnel der CFL. Schlimmstenfalls waren die Schienenfahrzeuge dann während der Ausfallzeit in der Waschhalle eingesperrt. Die Folge: Zugausfälle und Strafzahlungen. „Durch die Verträge, die wir unterzeichnet haben, sind wir verpflichtet, die Züge in gewissen Abständen zuverlässig zu reinigen.“ Unsicherheiten wollte Feinen deshalb nicht länger hinnehmen. Und so machte er sich auf die Suche nach einem neuen Anbieter von Energieketten. Mit einer ganzen Liste an Anforderungen. „Wichtig war für uns, dass das neue System langlebiger ist. Ersatzteile sollten schnell verfügbar sein – das war in der Vergangenheit nicht der Fall. Montage und Wartung sollten auch benutzerfreundlicher sein, weil wir die Energieketten in bis zu sieben Meter Höhe einsetzen.“ Nicht zuletzt sollten sie auch auf die Digitalisierungs-Ära vorbereitet sein. „Die Idee war es, dass sich die Waschwagen automatisch abschalten, falls die Zug- und Schubkräfte in den Ketten zu groß werden.“ Der einzige Anbieter am Markt, der alle Anforderungen erfüllen konnte: das Unternehmen Igus aus Köln, seit Jahrzehnten spezialisiert auf die Entwicklung von Energieketten aus tribologisch – sprich: auf Reibung und Verschleiß – optimierten Hochleistungspolymeren. Ein Anbieter war gefunden. Die Modernisierung konnte beginnen. Techniker von igus montierten an allen Waschwagen die robusten und chemikalienbeständigen E-Ketten von Igus. „Extra für unsere Bedürfnisse hat igus zudem schwimmende Mitnehmer installiert“, so Feinen. „Sie gleichen seitliche Bewegungen aus, sodass die Energieketten weniger belastet und noch langlebiger sind.“ Sie versprechen somit – anders als die fehleranfälligen Vorgänger – einen nahezu wartungsfreien Einsatz über viele Hunderttausende Zyklen und mehrere Jahre. „Diese Robustheit bedeutet für uns eine große Entlastung.“ 

Smarte Sensoren ermöglichen Zustandsüberwachung der Energieketten in Echtzeit 

Doch auch in der zuverlässigsten Energiekette können Defekte auftreten. Etwa dann, wenn versehentlich ein Werkzeug oder ein anderer Fremdkörper in der Führungsrinne liegen bleibt. Damit in solch einem Fall kein Totalschaden eintritt, hat Igus die Energieketten der Zugwaschanlage mit i.Sense ausgestattet, einem Condition-Monitoring-System, bestehend aus mehreren Komponenten. Bestandteil eins: ein Kraftsensor namens EC.P, montiert am schwimmenden Mitnehmer der e-kette. Ein Dehnungsstreifen misst im laufenden Betrieb die Zug- und Schubkräfte. Informationen, die über eine Leitung den zweiten Bestandteil des Systems erreichen: ein Auswertmodul, montiert im Schaltschrank neben der Waschstraße und integriert in die Speicherprogrammierbare Steuerung (SPS). „Das Modul weiß anhand gespeicherter Daten genau, welche Kräfte im Normbereich liegen. Lockert sich eine Führungsrinne oder gelangt ein Fremdkörper ins System, tritt meistens ein plötzlicher Kraftanstieg auf“, erklärt Richard Habering, Leiter Geschäftsbereich Smart Plastics bei Igus. „Sind Grenzwerte überschritten, schaltet die Steuerung die Waschwagen augenblicklich ab.“ Techniker bekommen eine Alarmmeldung und können das System inspizieren – noch bevor es zu größeren und teuren Folgeproblemen und längeren Ausfallzeiten kommt. Es ist zudem ohne großen Aufwand möglich, das Auswertmodul mit dem Internet zu verbinden. So kann das System Mitarbeiter im Notfall über den heimischen PC, das Tablet oder Smartphone alarmieren. „Die Anlage sollte auch aus der Ferne überwacht werden können“, sagt Feinen. „Das ist wichtig, um den Betrieb bei einem Fehler schnell wiederaufzunehmen.“ Perspektivisch werde daran gedacht, die Daten über das Format JSON via Kommunikationsprotokoll MQTT in cloudbasierte Wartungsmanagement- sowie SCADA- oder MES-Systeme zu überspielen. 

Wartungen optimal planen 

Die Digitalisierung der E-Ketten bewirkt aber nicht nur eine Zustandsüberwachung in Echtzeit. Für die vorausschauende Wartung – Predictive Maintenance – hat Igus im Schaltschrank der Zugwaschanlage ein i.Cee-Modul installiert. Ebenfalls eingebunden in die SPS. Dieses erhält, genau wie das Auswertmodul, die Kraftwerte des EC.P-Sensors. Überdies die Daten weiterer Sensoren, die den Abrieb der E-Kette und die Umgebungstemperatur messen. „Normalerweise haben Unternehmen beim Thema Wartung zwei Möglichkeiten: Sie können Verschleißteile in regelmäßigen Abständen proaktiv austauschen. Und damit Geldverschwendung in Kauf nehmen, wenn die maximale Lebensdauer nicht ausgeschöpft ist. Oder sie reagieren erst dann, wenn das Bauteil defekt ist. Und ärgern sich über teure Anlagenstillstände“, bringt Habering die Problematik auf den Punkt. Predictive Maintenance mische hier die Karten neu. „Eine KI-Software errechnet mit den Sensordaten die restliche Lebensdauer der Produkte und den optimalen Zeitpunkt für Wartungseinsätze.“ 

Nach der Modernisierung zählt die Zugwaschanlage der CFL zu den modernsten ihrer Art in Europa. „Durch die intensive Zusammenarbeit mit Igus gehören Probleme bei der Verwendung der Energieketten endlich der Vergangenheit an. Wir haben uns stark verbessert, sodass wir einen 200 m langen Zug in nur 30 min waschen können“, betont Feinen. Zudem unterstütze die Digitalisierung die Eisenbahngesellschaft dabei, die Folgen des Arbeitskräftemangels abzufedern. „Der hohe Automationsgrad macht es möglich, mit weniger Personal die gleichen Arbeiten durchzuführen.“ 

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