Themenbereich Künstliche Intelligenz (KI) - Interview
Vom Chat zu intelligenten Agenten
Als klassische Chat-Interaktion gestartet, hat sich die in TwinCAT integrierte KI mittlerweile zu einem KI-Agenten entwickelt. Der neue TwinCAT CoAgent kann Aufgaben übernehmen und verspricht einen deutlichen Produktivitätsgewinn. Dabei behält der Mensch die Kontrolle über das Engineering in der Hand, weiß Jannis Doppmeier vom TwinCAT-Produktmanagement.
Herr Doppmeier, Für die Engineering-Umgebung TwinCAT XAE hat Beckhoff schon 2023 TwinCAT Chat entwickelt. Sie sagen, dies sorgt für mehr Produktivität durch KI-gestütztes Engineering. Wie funktioniert die Integration der KI in den Engineering-Prozess genau?
Wir haben in das TwinCAT-Engineering ein Chat-Fenster eingebettet, damit die Anwender die einfache Möglichkeit haben, auf dieses Engineering-Werkzeug zuzugreifen. Die Funktion wurde auf TwinCAT-Themen hin spezialisiert und mit entsprechendem Wissen angereichert. Die Nutzer profitieren also davon, dass die KI bereits über das entsprechende Kontextwissen verfügt und dieses bei Anfragen berücksichtigt. So werden z. B. die Quellcode-Vervollständigungsvorschläge direkt in der richtigen Sprache ausgegeben.
Inwiefern unterscheidet sich diese Integration in die Steuerung von einer direkten Nutzung von ChatGPT im Webbrowser?
Der Vorteil liegt darin, dass Zusatzinformationen flexibel eingebunden werden können. Ein Projekt hat verschiedene Elemente: beispielsweise Code-Dateien oder die I/O-Topologie, die mit TwinCAT CoAgent angepasst werden können. Für die einfachere Bedienung reicht es, im Chat zum Beispiel ein „@“-Zeichen einzugeben. Daraufhin öffnet sich automatisch eine Vervollständigung, in die man zum Beispiel ein I/O-Element oder ein Programm ziehen kann, zu dem man eine Veränderungsanfragen stellen möchte.
Zur Hannover Messe 2025 hat Beckhoff das weiterentwickelte Tool TwinCAT CoAgent präsentiert. Was bedeutet dieser Weg von einem einfachen Chat-Tool zu einem Agenten mit KI genau?
Ich würde es als eine Evolution bezeichnen. Als wir TwinCAT Chat zur Hannover Messe 2023 vorgestellt haben, war es eine klassische Chat-Interaktion: man hat eine Frage gestellt und eine Antwort darauf sowie Zusatzinformationen bekommen.
Mittlerweile sind wir einige Schritte weiter: wir können aus so einer Anfrage – die auch komplexer sein kann – einen längeren Handlungsbaum ableiten. Das heißt, im Hintergrund wird automatisiert eine Aktion ausgeführt: Mehrere I/O-Elemente werden im Engineering angelegt und konfiguriert oder ganze HMIs (Human-Maschin-Interfaces) werden Schritt für Schritt mit Evaluierungsschleifen erzeugt. Bei solchen generativen KI-Systemen spricht man mittlerweile von Agenten.
Da wir diese Technologie (in das TwinCAT Engineering) eingebaut haben und kontinuierlich weiterentwickeln, fanden wir es passend, diese Funktionalität im Namen abzubilden – es ist nicht mehr nur ein Chat, es ist jetzt der CoAgent, der komplexere Aufgaben übernehmen kann.
TwinCAT CoAgent basiert auf einer agentenorientierten Softwarearchitektur. Welche Agenten sind Teil davon?
Wir haben für jeden Teil unseres Engeneerings einen eigenen Agenten. Wir haben angefangen mit der klassischen PLC-Programmierung, mit der man den Code erstellt. Für die zugehörigen I/O-Topologien steht ein weiterer Agent bereit, um die Hardware flexibel zu konfigurieren. Wir bieten aber auch für die HMI-Entwicklung und unser Beckhoff Informationssystem Agenten an. Letzterer ist besonders gut darin, unsere Dokumentation zu durchsuchen.
Wie verändert der neue TwinCAT CoAgent das Arbeiten mit TwinCAT-Ökosystem?
Wir versprechen uns einen deutlichen Produktivitätsgewinn. Mit TwinCAT Chat konnte man Vorschläge für einen SPS-Code generieren lassen, jetzt kann man eine Anfrage zu einem spezifischen Problem etwa bei der TCP/IP-Kommunikation stellen. Basierend auf dieser Anfrage wird eine Suche in den relevanten Beispielprojekten unseres Informationssystems gestartet.
Die Suchergebnisse werden evaluiert und daraus entsteht ein zielgerichteter faktenbasierter Vorschlag durch die KI. Mit TwinCAT CoAgent lassen sich so komplexe Aufgaben effizient bewältigen.
Kann der CoAgent selbständig im Hintergrund agieren?
Wir verfolgen die Philosophie „Human in the Loop“, menschliche Eingaben oder Entscheidungen werden dabei in den Prozess integriert, deswegen heißt die neue Anwendung auch CoAgent. Das ist ein entscheidender Punkt. Die KI soll so viele Aufgaben wie möglich übernehmen, aber der Mensch soll die Kontrolle behalten. Dementsprechend haben wir für bestimmte Werkzeug-Aufrufe oder Befehle eine manuelle Bestätigung vorgesehen. Am Ende einer Aufgaben-Kette, die TwinCAT CoAgent abarbeitet, entscheidet der Mensch, ob er das Ergebnis übernimmt.
Welche Vorteile bietet die Nutzung des CoAgenten in Bezug auf Effizienz?
Zunächst wird die Wissensvermittlung erheblich vereinfacht, das Googeln entfällt. Und dann wird das, wonach man sucht, auch direkt in Aktion übersetzt. Im Bereich PLC ist es nicht mehr erforderlich, den Code manuell einzugeben, stattdessen kann er aus TwinCAT CoAgent direkt übernommen werden. Im Bereich der I/O müssen die notwendigen Einstellungen auch nicht mehr zusammengeklickt werden, sondern sie lassen sich in natürlicher Sprache beschreiben, aus der dann die entsprechenden Handlungen abgeleitet werden. Dementsprechend hat der Anwender einen hohen Performancegewinn, da er so viel schneller zum Ziel kommt.
Wie signifikant ist der Unterschied zwischen der Arbeitsweise mit und ohne TwinCAT CoAgent?
Wir sind dabei, genauer zu evaluieren, wie groß dieser Performancesprung ist. Die ersten Testergebnisse deuten auf eine Effizienzsteigerung von mindestens 20 bis 30 Prozent hin. Wir halten den Agenten mit KI – unseren CoAgent – für eine revolutionäre Technologie und werden ihn weitergehend in unsere Produkte integrieren.
Wie könnte sich der Einsatz von KI-gestützten Agenten in der Automatisierungsbranche langfristig auswirken?
Durch den Performancegewinn kann TwinCAT CoAgent helfen, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Besonders im Bereich der Inbetriebnahme und der SPS-Programmierung entsteht ein hoher Zeitdruck, da die Softwareentwicklung in den Projekten typischerweise erst nach der Hardwareinstallation erfolgt.
In diesem Kontext können wir die Anwender entlasten, indem wir ihnen ein leistungsfähiges Werkzeug an die Hand geben, welches dabei hilft, sowohl die Effizienz zu steigern als auch langfristig eine höhere Qualität für die Maschine zu erreichen.
Autorin: Das Interview führte Natalie Intorf, Softwareentwicklerin und Redakteurin bei AMA Digital Networks
Bilder: Aufmacher Natalie Intorf, sonstige Beckhoff