Fachartikel
Servotechnik
Falten leicht gemacht
Ein Start-up aus München hat eine Automatisierungslösung für eine Aufgabe in der Wäscherei entwickelt, die bisher immer Handarbeit erfordert hat. Bei der Antriebstechnik kommen leistungsfähige Servomotoren und Servoregler von Mitsubishi Electric zum Einsatz.
Wie lässt sich das Handling leicht verformbarer Textilien automatisieren? Ein Thema mit vielen Tücken! Scheint aber doch die Aufgabe so profan: Handtücher, nachdem sie aus dem Trockner kommen, einzeln aufnehmen und gerade und faltenfrei auf ein Förderband auflegen. Hierüber gelangt das Textil in eine Faltmaschine, welche die Handtücher dann ordentlich zusammenlegt. In einer ansonsten weitgehend automatisierten Umgebung ist dies eine der wenigen Tätigkeiten, bei der bisher auf jeden Fall Handarbeit notwendig ist und damit viel Personal.
Und hier wird es problematisch, denn Großwäschereien haben zunehmend Schwierigkeiten, Mitarbeiter für diese Tätigkeit zu finden. Denn wer will in einer heißen Umgebung arbeiten, die anstrengend, monoton und schlecht bezahlt ist? Verständlicherweise immer weniger Menschen. Aber der Bedarf steigt. Hotels, Fitness-Clubs, Restaurants, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und viele mehr. Alle benötigen saubere, gefaltete Handtücher! Da liegt es nahe, diese Tätigkeit zu automatisieren.
Biegeschlaffes Teilehandling automatisieren
Doch was für einen Menschen so einfach ist, stellt die Automatisierungstechnik vor große Herausforderungen. Das Handling biegeschlaffer Teile – und dazu gehören Textilien – ist überaus anspruchsvoll.
Ein Start-up aus München hat sich der Herausforderung gestellt, diese schwierige Aufgabe des Textilhandlings zu automatisieren. Das Unternehmen sewts wurde 2019 von Absolventen der Technischen Universität München gegründet. Ziel war es, die Grenzen der Robotik und des automatisierten Handlings von leicht verformbaren Materialien zu erweitern. Die Gründer entwickelten diese Idee bereits während ihres Studiums, wo sie sich am Lehrstuhl für Carbon Composites auf die Erforschung der automatisierten Verarbeitung von leicht verformbaren Materialien, wie Carbon-Fasern und Textilien, konzentrierten.
„Wir Gründer haben alle ein Maschinenbaustudium absolviert“, sagt Tim Doerks, einer der Gründer und aktuell CTO des jungen Unternehmens: „Nach dem Bachelor haben wir uns in verschiedenen Richtungen spezialisiert, so dass wir jetzt neben dem Know-how im Maschinenbau auch die Bereiche Software, Künstliche Intelligenz, Bildverarbeitung und Textil gut abdecken.“
Großwäschereien als vielversprechender Markt
In der Anfangsphase hat das Gründerteam verschiedene Use Cases untersucht. „Die Anwendung in der Wäschereitechnik hat sich dann als erstes herauskristallisiert“, erinnert sich der CTO. Zwei Vorteile waren ausschlaggebend, sich für diesen Use Case zu entscheiden: Die Kunden sind in der Nähe und der Bedarf in der Branche ist sehr groß. Drei Jahre nach der Gründung sind aktuell 17 Mitarbeiter bei sewts beschäftigt, und in Zukunft soll irgendwann die Firmenvision Wirklichkeit werden: Die vollautomatische Produktion von Bekleidung.
Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz
Als erstes marktreifes Produkt bietet sewts jetzt Velum an. Das System führt Handtücher und ähnliche Teile aus Frottee in Faltmaschinen ein und schließt damit eine bedeutende Automatisierungslücke in der Großwäscherei. Herzstück des Systems ist eine KI, die Aufnahmen verschiedener Kameras analysiert und die Roboter und Handhabungstechnik entsprechend ansteuert. Der erste Teil der Bildverarbeitung besteht aus einer Kombination einer 3D- mit einer 2D-Kamera, die parallel Aufnahmen der Wäschestücke im Wäschekorb machen, in dem die Handtücher nach dem Wäschetrockner landen. Hier besteht die Herausforderung darin, dass der Roboter genau ein Handtuch greift und auf einem kurzen Förderband ablegt. Dort nimmt eine weitere Kamera ein Bild des Handtuchs auf, das allerdings noch nicht komplett ausgebreitet ist.
Die KI hat dann die Aufgabe, den kürzeren Saum des Handtuchs zu identifizieren, die der nächste Roboter greifen kann. Dieser übergibt das Handtuch dann an ein Greifer Paar, das parallel auf einem H-Portal montiert ist. Die Funktionsweise der beiden Greifer imitiert dabei die Handhabung, wie sie auch ein Mensch durchführen würde: Die beiden Greifer bewegen sich nacheinander nach außen, um das Handtuch gerade an den beiden Ecken einer kurzen Seite zu fassen. Dabei werden die beiden Greifer so angesteuert, dass sie entweder das Handtuch fixieren oder langsam durch die beiden Backen des Greifers rutschen lassen. Im Anschluss wird das H-Portal so bewegt, dass das Handtuch flach auf dem Förderband der folgenden Maschine abgelegt wird. Das System arbeitet mit Handtüchern mit einer Größe bis zu 1 m x 2 m und ist unabhängig von der Farbe und der Textur des Gewebes.
H-Portal mit dynamischer Antriebstechnik
„Dass wir ein H-Portal zur Übergabe an das Förderband gewählt haben, hatte verschiedene Gründe“, erklärt Tim Doerks: „Es ist sehr platzsparend, und weder Motoren noch Leitungen müssen mitbewegt werden. Außerdem ist die Achse des H parallel zum Förderband, sodass die Handtücher immer gerade übergeben werden.“
Die Kinematik basiert auf zwei Servomotoren und einem Zahnriemen in H-Form. Die Antriebe sind an den 180°-Umlenkungen an der X-Achse fest installiert. Drehen sich beide Motoren synchron, bewegt sich das Portal in Y-Richtung. Bei gegenläufiger Drehung bewegt es sich in X-Richtung. Dreht sich nur einer der Motoren, bewegt sich das Portal in 45°-Richtung. Dass die Motoren und insbesondere die Leitungen nicht bewegt werden wirkt sich nicht nur positiv auf den Verschleiß des Systems aus, sondern es lassen sich auch kürzere Taktzeiten realisieren, da die zu verfahrende Masse gering ist.
Servos für wenig Platz im Schaltschrank
Wenn ein Start-up sich für Komponenten entscheidet, die in einem Projekt eingesetzt werden, hat es naturgemäß noch keine etablierten Lieferantenbeziehungen und ist deswegen zunächst sehr offen. „Wir haben aber gerade in der Anfangsphase sehr schnell die Erfahrung gemacht, dass wir Partner brauchen, auf die wir uns auch verlassen können“, betont Tim Doerks: „Qualitativ hochwertige Komponenten und Lieferfähigkeit sind für uns die entscheidenden Kriterien.“
Für das Achskonzept des H-Portals war sewts auf der Suche nach leistungsfähigen Servomotoren mit passender Regelungstechnik und hat sich für das japanische Unternehmen als Lieferanten entschieden. „Bei Mitsubishi Electric hatten wir gleich ein sehr gutes Gefühl“, erinnert sich der Mit-Gründer des Unternehmens. Zum Einsatz kommen in dem H-Portal zwei Servomotoren vom Typ HK-KT1034W. Diese haben eine Leistung von 1 kW bei 3.000 Umdrehungen und zeichnen sich durch ihre sehr kompakte Bauform aus.
Die passenden Servoregler vom Typ MR-J5-100G4-RJN1, die über eine EtherCAT-Schnittstelle angesteuert werden, sind ebenfalls sehr kompakt und benötigen deswegen auch nur wenig Platz im Schaltschrank. In Wäschereien geht es generell sehr eng zu, wie Tim Doerks weiß: „Deswegen war Platzsparen sowohl beim Maschinenkonzept als auch im Schaltschrank von Anfang an ein wichtiges Thema für uns.“ Mit den Leistungen und der Dynamik der Servoantriebe von Mitsubishi lassen sich die Anforderung des Handlings mit dem H-Portal problemlos umsetzen. Und auch die Ansteuerung der Antriebstechnik aus der SPS verlief völlig problemlos. „Wir hatten vorher keine Erfahrung, und haben die Ansteuerung in einem halben Tag realisiert“, zeigt sich der CTO auch hier zufrieden.
Weitere Projekte in der Pipeline
Bei einem Start-up liegt der Blick in die Zukunft nahe. In diesem Jahr will sewts mindestens 16 Velum-Systeme ausliefern, im Jahr darauf sollen es schon doppelt so viele sein. „Es gibt in diesem Bereich noch viele weitere Themen, die es zu lösen gilt. “, sagt Tim Doerks: „Die nächsten Projekte sind schon in Planung.“ Dabei wird es zum Beispiel darum gehen, Retouren im Textil-Versandhandel zu handhaben. Die Erfahrungen mit dem aktuellen Projekt und den Lieferanten wird sewts dabei sicher zugutekommen.
Autor: Jörg Lantzsch, freier Journalist
Bilder je nach Bildquelle
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