Fachartikel
Wellgetriebe
Getriebe mit Gehirn
Schaeffler verhilft Cobots und Leichtbaurobotern zu einer Performance-Steigerung mit Hilfe sensorisierter Präzisionswellgetriebe.
Cobots sind ein guter Einstieg in die Robotik und zugleich eine Schlüsseltechnologie, sie bedeuten weniger Aufwand, sind leicht zu programmieren, eher günstig in der Anschaffung und bieten eine geringe Hemmschwelle bei der Investition. Diese Ansicht vertritt Nicolai Hämmerle, Leiter Business Field Robotics bei Schaeffler. „Cobots bieten bei weitem das stärkste Wachstum bei Industrierobotern.“ Ohne Präzisionswellgetriebe seien Cobots aber kaum denkbar. Sie ermöglichen gleichbleibende Qualität und bieten eine elektromechanische Unterstützung für den Menschen. „Wir sind in der Lage, für jeden Anwendungsfall eine Lösung zu bieten. Spannende neue Applikationen sind die Operationsrobotik oder die visuelle Endprüfung von Fahrzeugen durch Cobots in der Automobilindustrie.“
Sensorik ist erforderlich
Wenn Cobots Prozesse aber feinfühlig und kraftgesteuert ausführen sollen und das Teaching sehr sanft vonstattengehen soll, kann man kaum auf eine Sensorik zur Ermittlung der äußeren Kräfte verzichten. Für die Messung äußerer Kräfte und Momente sind am Cobot-Markt hauptsächlich Sensormodule verbreitet, das heißt Sensoren, die als eigenständige Komponente für Cobots entwickelt und angeboten werden. Diese erfordern zusätzlichen Bauraum und müssen konstruktiv in den Cobot integriert werden.
Bei diesen Sensoren werden die Kräfte und Momente mit Hilfe einer elastischen Struktur, auf der die eigentliche Sensorik (DMS) meist aufgeklebt ist, erfasst. „Unser RT1-T arbeitet mit einer speziellen Beschichtung, die Kleben unnötig macht“, sagt Peter Schuster. Vice President R&D Mechatronics bei Schaeffler.
Die konstruktive Auslegung dieser Sensoren ist prinzipbedingt ein Kompromiss zwischen hoher Auflösung und niedriger Verformung. Für Anwendungen, bei denen der Endeffektor eine Bahnkurve oder Position unter Last exakt einhalten muss, ist die durch den Sensor verursachte Positionsabweichung von großem Nachteil. Konkrete Bauformen sind als 6-Achs-Force-Torque-Sensoren am Endeffektor oder an die Gelenkachsen geflanschte Sensormodule bekannt.
Der Ansatz der Schaeffler-Entwickler besteht darin, für die Messung der Drehmomente kein zusätzliches elastisches Element, sondern ein vorhandenes Bauteil des Antriebsstrangs im Gelenk zu nutzen. Damit wird keine weitere Elastizität in die Cobotsstruktur eingebracht und die Steifigkeit der Cobots bleibt auch mit Sensorik zu 100 % erhalten. Welche Vorteile bietet nun dieses interne Konzept?
Steifigkeit ist wichtig
Cobots sind aufgrund ihrer schlanken Bauform und folglich ihrer höheren Elastizität im Vergleich zu Industrierobotern deutlich benachteiligt. Bei größeren Beschleunigungen schwingt die schlanke Cobot-Struktur spürbar – vor allem beim Positionieren mit maximaler Abbremsung. Was man durch hohe Geschwindigkeiten und Beschleunigungen an kurzer Taktzeit gewinnt, verliert man durch ein längeres Einschwingen beim Positionieren wieder. Einen großen Einfluss auf die Eigenfrequenz von Cobots haben die Kippsteifigkeit der Gelenklager oder Getriebehauptlager und die Torsionssteifigkeit der Getriebe sowie der Drehmomentsensoren.
Bei externen Drehmomentsensoren kann durch die zusätzlich eingebrachte Elastizität die Torsionssteifigkeit eines Gelenks auf 25 bis 60 % des ursprünglichen Wertes sinken. Bei dem von Schaeffler entwickelten Konzept bleibt die Torsionssteifigkeit des Gelenks zu 100 % erhalten. Den Einfluss der Torsionssteifigkeit von Drehmomentsensoren auf das dynamische Verhalten von Cobots soll ein Vergleich dieser beiden Konzepte in einem Worst-Case-Szenario verdeutlichen. Als Vergleichsbasis dient das Präzisionswellgetriebe RT1 von Schaeffler einmal mit integrierter Sensorik und einmal mit externem Sensormodul.
Schneller positionieren
Der Antrieb mit externem Sensormodul zeigt deutlich ein instabiles Verhalten mit sehr großen Beschleunigungsspitzen. Um das dynamische Verhalten zu verbessern, wurden in einer zweiten Simulation die Regelparameter angepasst. So konnten die Beschleunigungsspitzen reduziert werden, allerdings zu Lasten der Positionierzeit. Diese steigt auf 1,2979 s. Die Positionierzeit mit integriertem Drehmomentsensor beträgt nur 0,99241 s und ist damit um 0,3 s kürzer. Auch ohne Anpassung der Regelparameter klingen die Schwingungen hier schnell ab.
Diese Simulation wurde für die Drehachse eines einzigen Gelenks durchgeführt. Selbstverständlich sind die Verhältnisse bei sechs Gelenken mit ihren veränderlichen räumlichen Lagen eines Cobots wesentlich komplexer und die Auswirkungen sehr viel größer. Das vereinfachende Beispiel verdeutlicht jedoch den positiven Einfluss von Drehmomentsensoren auf die Positionierzeit, wenn diese die Torsionssteifigkeit des Gelenks nicht reduzieren.
Interne Drehmomentsensoren
Die als Sensotect von Schaeffler bekannte Sensortechnologie findet beispielsweise in der Windenergie und in der Automobilindustrie erfolgreich Anwendung. Das Bauteil selbst wird zum Sensor und der Sensor wird zum Bauteil. Für die Anwendung in der Robotik wurde der Flexspline des Präzisionswellgetriebes genutzt, da diese direkt im Kraftfluss liegt. Zusätzlicher Bauraum wird nicht benötigt. Klebstoffe und Transferpolymere sind nicht erforderlich. Die Hysterese- und Linearitätsabweichung ist aufgrund fehlender Störfaktoren sehr gering. Ebenso werden kleinste Kraft- und Drehmomentänderungen zuverlässig erfasst, was das „Smooth Direct-Teach-in“, die Bedienung und die Selbstoptimierung von Cobots wesentlich vereinfacht.
Das Sensorelement bietet eine Genauigkeit von <0,5%, was im Vergleich zu Sensormodulen am Cobot-Markt ein sehr guter Wert ist. Da die Sensorik fest im RT1-Präzisionswellgetriebe integriert ist, addieren sich weitere Einflüsse wie die mechanische Hysterese und Temperatur, die schließlich zu einer Systemgenauigkeit „Sensor+Getriebe“ von < 1,5 % führen. Diese Unterscheidung gilt es zu beachten.
Kurze Positionierzeiten beziehungsweise kurze Taktzeiten machen eine besonders steife Cobot-Struktur erforderlich. Die von Schaeffler in die Präzisionswellgetriebe integrierten Drehmomentsensoren beeinflussen die mechanische Struktur von Cobots nicht – die Torsionssteifigkeit der Drehachsen bleibt im Vergleich zu externen Sensoren zu 100 % erhalten.
Ein entscheidendes Thema ist die Sicherheit. „Ein Cobot darf niemanden verletzen. Es geht um Kontaktvermeidung, man muss die Kräfte und Momente kennen“, sagt Peter Schuster. Vice President R&D Mechatronics bei Schaeffler. „Das ist insgesamt ein schwieriges Thema und auch aus diesem Grund ist die sensorisierte Getriebelösung entstanden.“
Das passende Lager
Als weiteren Baustein der Gesamtlösung entwickelte Schaeffler für die Präzisionswellgetriebe-Baureihen RT das zweireihige Schrägnadellager XZU. Es erhöht die Steifigkeit der Cobotstruktur quer zu den Drehachsen. Werden XZU-Lager anstatt der üblichen Kreuzrollenlager in jedem Gelenk eines Cobot vorgesehen, kann eine Reduzierung der Positionierzeit um bis zu 50 % erreicht werden.
Mit RT1-T-Präzisionswellgetrieben lässt sich das Geschwindigkeits- und. Beschleunigungsniveau von Cobots anheben, ohne lange Einschwingzeiten und große Amplituden in Kauf nehmen zu müssen. Schaeffler eröffnet damit der Branche einen Weg für den wirtschaftlichen Einsatz von Cobots im autarken Einsatz in dynamischen Anwendungen.
Die Drehmomentsensorik der RT1-T Präzisionswellgetriebe ist zudem besonders kostengünstig, da kein zusätzliches Geberelement erforderlich ist und der Sensor auch nicht aufwendig als eigenständige Komponente in den Gelenkarm montiert werden muss.
„Es besteht großes Interesse am Markt die interne Drehmomentmessung ist gefragt, wir können einen klaren USP bieten und haben die Nachweise dafür gebracht“, zieht Peter Schuster ein Fazit.