Fachartikel

DC-Getriebemotor

Innovation trifft Handwerkskunst

Innovation trifft Handwerkskunst

Kleinantriebe müssen mit den unterschiedlichsten Umgebungen zurechtkommen. Und immer wieder finden die vielseitigen, kleinen Kraftprotze interessante Anwendungen, gerade auch da, wo man eigentlich nicht mit ihnen rechnen würde. Zum Beispiel in der weltweit ersten elektronischen Spieldose.    

Das Kleinkunst-Handwerk hat im Erzgebirge eine lange Tradition. Nahezu jeder kennt die aus Holz gefertigten Spieldosen, feine Miniaturen, Pyramiden oder vielgestaltige Schwib- bzw. Lichtbögen, wie sie die Kleinkunst aus dem Erzgebirge® Mueller GmbH seit 1889 herstellt. Noch heute entstehen im Familienunternehmen in liebevoller Handarbeit und mit dem Anspruch an Design und höchste Qualität kleine und große Kostbarkeiten aus Holz.  

Handgefertigte Spieldose trifft Bluetooth 

Ringo Müller ist Holzspielzeugmachermeister und Geschäftsführer des Familienbetriebs in vierter Generation. Er erklärt: „Die traditionelle Spieldose hat ein mechanisches Spielwerk, das ein einziges Musikstück abspielen kann. Auf Messen und Märkten haben uns die Endkunden immer wieder gefragt, ob nicht mehr Auswahl möglich sei, ob man nicht auch eigene Musikstücke abspielen lassen könnte. Von unseren Schwibbögen hatten wir Erfahrung mit Musikelektronik und so lag es nahe, daran anzuknüpfen.“ Allerdings erwies sich die Umsetzung aus lizenzrechtlicher Sicht als schwierig. Nutzte man eine Schnittstelle, mit der sich einfach MP3-Dateien aufspielen ließen, würde die Spieluhr zu einem Musikabspielgerät, für das dann wiederum Gema-Gebühren fällig würden. Die dabei entstehenden Kosten sind aufgrund der kleinen Stückzahlen, in denen die Spieluhren gefertigt werden, wirtschaftlich jedoch nicht tragbar.  

Die Lösung bestand dann in einem selbst entwickelten Musikdateiformat für Gema-freie Musikstücke. Hierfür suchten die Kunsthandwerker die Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Chemnitz. Professor Wolfram Hardt vom Lehrstuhl für Technische Informatik entwickelte zusammen mit einigen Doktoranden nicht nur das .song-Dateiformat sondern auch die Software zur Steuerung der weltweit ersten elektronischen Spieldose. Heute stehen auf der Firmenwebsite mehrere hundert Lieder und Melodien zum kostenlosen Abruf bereit. Unter anderem hat der weltbekannte Dresdner Trompetenvirtuose Ludwig Güttler mit einem Bläserensemble Stücke eigens für die Müller-Spieldose eingespielt. Aber auch Käufer der Spieldose können selbst Stücke oder Texte aufnehmen. Die Aufnahme wird dann der Firma Müller zugesandt, dort in das .song-Format umgewandelt und dem Anwender zurückgeschickt. Anschließend kann man sie über die Bluetooth-Schnittstelle von seinem Smartphone oder PC auf den Speicherchip der eigenen Spieldose übertragen.  

Vielfalt spielt aber auch bei der Spieluhr selbst eine wichtige Rolle. Dazu werden zahlreiche verschiedene Motivplattformen für die elektronische Spieldose angeboten, sodass man sie durch einfachen Tausch saisonal anpassen kann. Ein spezieller Strichcode an der Unterseite der jeweiligen Motivplattform ermöglich, dass die Spieluhr die jeweils zum Motiv passende Melodie abspielt.  

Geräuscharmer Antrieb  

Mit dem Abschied vom mechanischen Spielwerk wurde auch ein elektronischer Antrieb benötigt. Ringo Müller erinnert sich: „Im Jahr 2009, als die Entwicklung des Konzepts für die elektronische Spieldose schon vorangeschritten war, haben wir im Internet nach einem passenden Motor gesucht und sind dort auf Faulhaber gestoßen. Im Dosenkörper ist sehr wenig Platz, wir brauchten also einen sehr kleinen Antrieb, der aber trotzdem genug Leistung bringen muss, um die – gar nicht so leichte – Motivscheibe in eine gleichmäßige langsame Drehung zu versetzen. Das soll ruckfrei und möglichst geräuschlos geschehen, um die Musikwiedergabe nicht zu stören.“  

Der zuständige Vertriebsingenieur empfahl einen DC-Getriebemotor der Serie 2619…SR mit Edelmetallkommutierung. Bei einem Durchmesser von 26 mm ist er – einschließlich des integrierten Stirnradgetriebes – gerade einmal 19,2 mm lang. Dank seiner hohen Leistungsdichte und seines minimalen Trägheitsmoments sorgt er mit einer 207:1-Übersetzung für den langsamen Gleichlauf ohne hörbare Störgeräusche. Wichtig war den Kunsthandwerkern auch der hohe Wirkungsgrad, da die Spieldose ihre Energie aus Batterien bezieht und die Elektronik nur eine niedrige Spannung an den Motor abgeben kann.  

Mittlerweile hat sich die mechanische Basis der Spieluhr mehr als zehn Jahre ohne wesentliche Veränderung bestens bewährt. Ihre Firmware dagegen wird zusammen mit den Partnern in der TU Chemnitz ständig weiterentwickelt. 2023 soll die Version 4.0 fertig sein. Auch die Bibliothek verfügbarer Musikstücke, die von zahlreichen Künstlern beigesteuert werden, wächst stetig weiter an. Dazu gehören auch Werke des bekannten Kinderliedautors Rolf Zuckowski. „Am Anfang unserer Zusammenarbeit stand sein Lied ‚In der Weihnachtsbäckerei‘, das wunderbar zu unserer Tradition passt“, erinnert sich Ringo Müller. „Inzwischen sind viele andere Lieder und vier Motivscheiben hinzugekommen, die wir nach seinen Ideen gestaltet haben.“ 

Bilder: Kleinkunst aus dem Erzgebirge Mueller GmbH und Faulhaber 

Autoren: Jens-Uwe Henke, Vertriebsingenieur bei Faulhaber und Dipl.-Ing. (FH) Nora Crocoll, Redaktionsbüro Stutensee 

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