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Künstliche Intelligenz

Ohne Risiko keine Magie

Ohne Risiko keine Magie

Der Einsatz von KI in der Produktion verspricht erhebliche Wettbewerbsvorteile. Die Entwicklung entsprechender Tools und Instrumente stellt Unternehmen jedoch vor erhebliche Herausforderungen. Die größten Hürden und wie Unternehmen sie überwinden können.

Ob bei der automatisierten Prozessüberwachung und Qualitätskontrolle, der effizienten Ressourcenplanung oder der vorausschauenden Wartung der Maschinen: Der Einsatz von KI in der Produktion verspricht erhebliche Wettbewerbsvorteile. Entsprechend ist in den Betrieben die Begeisterung zunächst groß. Dann jedoch bringt der Großteil der initiierten KI-Projekte nicht die erhofften Ergebnisse – Ernüchterung stellt sich ein. An diesem Punkt, an dem sich aktuell viele Unternehmen befinden, gilt es zu erkennen: Bei allen positiven Aussichten und Chancen sind auch Rückschläge bis zu einem gewissen Grad unumgänglich. Schließlich haben KI-Projekte immer etwas Exploratives, Unsicherheit und Unschärfe gehören dazu. Benötigt wird also vor allem ein Mindset, das einen produktiven Umgang mit diesen Herausforderungen ermöglicht. So darf ein vermeintliches Scheitern kein Drama nach sich ziehen und Experimentieren muss ausdrücklich erlaubt sein. Oder anders formuliert: Um die Magie der KI im eigenen Unternehmen erleben zu können, müssen Risiken bewusst eingegangen werden.

Gründe für das Scheitern von KI-Projekten – und wie Firmen gegensteuern können

Dennoch hilft eine umsichtige Planung dabei, die Erfolgsquote von KI-Projekten deutlich zu steigern. So hat der Innovationsdienstleister Zühlke mittels einer systematischen Untersuchung und aufgrund seiner Erfahrungen in den Unternehmen die größten Hürden für erfolgreiche KI-Projekte ausgemacht. Diese sollten Firmen hinsichtlich künftiger Vorhaben im Blick haben und bei der Planung berücksichtigen.

Die Zusammenstellung der Teams

Zwar sind die benötigen KI-Experten oftmals bereits in den Unternehmen. In den Entwicklerteams müssen diese jedoch – anders als häufig praktiziert – eng mit den Experten aus den Fachbereichen zusammenarbeiten, die den Wert der KI-Lösungen für ihre spezifischen Prozesse erkennen. Anderenfalls wird häufig in Anwendungen investiert, für die es später in der Praxis kein Einsatzgebiet gibt. Bislang gibt es oftmals zentrale Abteilungen, in denen die KI-Experten arbeiten. In den Fachabteilungen, wo wiederum das Fachwissen und die Praxiserfahrung der Ingenieure vorhanden ist, fehlen hingegen oft datenaffine Experten. Kommen die beiden Bereiche aus diesem Grund nicht zusammen, ist es nahezu unmöglich, schlagkräftige Use Cases zu finden – wenn es etwa um die vorausschauende Wartung von Maschinen oder die automatisierte Qualitätsprüfung geht. Unabdingbar ist daher die Bildung neuer Rollen und Prozesse bis in die Fachabteilungen hinein.

Die Datenlage in den Unternehmen

Eine weitere Hürde, an der viele KI-Projekte scheitern, ist die Datenlage in den Unternehmen, die in den meisten Fällen noch stark verbesserungswürdig ist. Oftmals sind die Daten in Silos gespeichert und lassen sich nur mit großer Mühe verknüpfen. Zudem wurden die Daten in der Vergangenheit nicht in der Form gespeichert, in der sie heute gebraucht werden. So werden etwa für das Machine Learning auch die Datensätze aus fehlerhaften Produktionszyklen benötigt. Diese wurden jedoch in der Vergangenheit oftmals gelöscht, weil sie aus damaliger Sicht unbrauchbar waren. Für die Zukunft braucht es daher eine Data Governance, die festlegt, welche Daten wo und wie lange gespeichert werden. Für erste konkrete Projekte ist es wichtig, genau zu überlegen, welche Daten in welcher Qualität benötigt werden.

Proof of Concepts, die auf der Strecke bleiben

Viele Daten- und KI-Projekte werden in den Unternehmen nicht weitergeführt, obwohl die technische Machbarkeit durch einen Proof of Concept (PoC) bereits gezeigt werden konnte. Dies liegt häufig daran, dass die Endnutzer nicht in die Entwicklung einbezogen wurden und die Anwendung sie im Arbeitsalltag nicht überzeugt. Oftmals wurden die Tools zum Beispiel in Innovation Hubs entwickelt, die zu weit vom Kerngeschäft entfernt agiert haben.

Technisch perfekte Lösungen, die nicht genutzt werden

Häufig werden auch bereits eingeführte KI-basierte Lösungen nicht wie geplant angenommen und genutzt. Als wichtigsten Grund nennen die Unternehmen eine mangelnde Integration von KI-Lösungen in bestehende IT-Tools. An zweiter Stelle steht auch hier die fehlende Einbindung und Schulung von Endusern sowie deren mangelndes Vertrauen in Daten- und KI-Lösungen. Auch hier gilt es gegenzusteuern, die Enduser einzubinden und ihnen die Vorteile der entwickelten KI-Lösungen nahezubringen. Technologische Umbrüche sind immer auch mit einem Kulturwandel im Unternehmen verbunden, der bewusst gesteuert werden muss. Es gilt, die Bedenken und Befürchtungen der Mitarbeiter ernst zu nehmen und gemeinsam ein positives Zukunftsbild zu entwickeln. So sollte KI als Unterstützung für den Menschen betrachtet werden und ausdrücklich nicht als Ersatz.

Eine inaktive Daten-Innovationspipeline

Hinter dem Begriff „Daten-Innovationspipeline“ verbirgt sich eine kontinuierliche und gesamtheitliche Planung und Umsetzung von Daten- und KI-Projekten, welche sukzessive Wert für die gesamte Organisation generiert. Ein oft genannter Grund für eine inaktive Innovationspipeline ist eine unzureichende unternehmensübergreifende Daten- und KI-Strategie. Dies führt unter anderem dazu, dass viele Teams separat und unkoordiniert Ideen für KI-Use Cases entwickeln und in Eigenregie Proof of Concepts durchführen. Begründet wird eine inaktive Innovationspipeline zudem auch mit der Nachlässigkeit bei der Bewertung des Geschäftserfolgs. Gerade in der Anfangsphase ist es jedoch wichtig, die Wirtschaftlichkeit von Daten- und KI-Projekten fortlaufend aufzuzeigen. Ansonsten erlischt die Motivation, in entsprechende Vorhaben zu investieren und die Innovationspipeline trocknet aus. Aus den genannten Gründen fehlt es oft auch an Unterstützung auf C-Level. Diese wird jedoch unbedingt benötigt, um wichtige Grundlagen für die erfolgreiche Umsetzung von KI-Anwendungsfällen zu legen und auch die entsprechenden Budgets zu erhalten.

Unternehmen müssen zweigleisig fahren

Insbesondere bei der letztgenannten Hürde wird deutlich: Eine übergreifende Strategie ist ein ebenso übergeordneter wie zentraler Punkt für die erfolgreiche Lancierung von KI-Projekten. Vielerorts muss diese noch entwickelt werden. Ebenso unabdingbar sind jedoch praktische Erfahrungen. Es gilt also auch, sich parallel erfolgversprechenden Teillösungen zu widmen, um erste Erfolge zu erzielen. In diesem Sinne kann es auch durchaus sinnvoll sein, zunächst die sogenannten Low Hanging Fruits zu ernten, um erste Erfolge zu erzielen. Das Thema KI kann so positive Wahrnehmung erhalten und die gewonnen Erfahrungen können in die Strategie einfließen. Ebenso wichtig ist es, sich auf dem Weg zum erfolgreichen KI-Einsatz in der Produktion immer wieder vor Augen zu halten: Als Unternehmen ist man mit den Schwierigkeiten bei der Entwicklung und Monetarisierung von KI-Tools keinesfalls allein. Vielmehr erfordert die Einführung neuer Technologien in jedem Betrieb neue Lösungen und Herangehensweisen, die Schritt für Schritt entwickelt und erprobt werden müssen – mit Neugier, Durchhaltevermögen und einem angemessenem Risikoappetit.

Autor: Dr. Tim Herfurth, Data Scientist and AI Consultant bei dem Innovationsdienstleister Zühlke

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