Fachartikel
Bildverarbeitung
„Die Kombi zeichnet uns aus“
Wer sich im harten Markt der Bildverarbeitung durchsetzen will, muss sich abheben. Bei Ziemann & Urban funktioniert das über das kombinierte Know-how von intelligenter Prüftechnik und flexiblen Maschinenbaulösungen.
Bildverarbeitung war schon Anfang der 90er-Jahre das erklärte Metier von Andreas Ziemann. Zusammen mit dem Maschinenbauer Peter Urban entstand aus einem Ingenieurbüro 1995 die Ziemann & Urban GmbH (Z&U). Markus Urban, Sohn des einen Gründers und heute Mitgeschäftsführer, erinnert sich: „Die beiden kannten sich aus dem Halbleitermaschinenbau, einer Wiege der industriellen Bildverarbeitung, und da kommt die Firma historisch auch her. Seitdem ist das, was uns abhebt, die Kombination aus Maschinenbau und Prüftechnik, schwerpunktmäßig in der Bildverarbeitung.“
Seit den Anfangstagen hat sich das Unternehmen entwickelt, Stand heute arbeiten 35 Mitarbeiter in Moosinning. Markus Urban bezeichnet es als Pionier auf seinem Gebiet: „Wir betreiben seit Tag eins Grundlagenentwicklung in der Bildverarbeitung, mit ZU-Vison als unserem ureigenen Produkt, viele Meilensteine sind hier im Hause entstanden.“ Drumherum hat sich dann die Maschinenbaukompetenz entwickelt, um Prüfstandtechnik und Bauteilehandling darstellen zu können – von kleinen Inline-Systemen, die Bauteile handhaben, bis zu kompletten Anlagen, die eine halbe Halle groß sind. „Wir haben Kunden weltweit. Vom Anspruch her kommen sie zu uns, wenn es von der Stange aufhört. Wir verfügen über die Software und die Gewerke außen herum. So können wir genau die Lösungen bieten, die die Kunden brauchen.“
Im Gegensatz zu einem klassischen Bildverarbeitungshersteller könne Z&U seine Systeme vollständig in die Welt des Kunden integrieren und die gesamten Verarbeitungs- und Handhabungsprozesse in einer Anlage mit anbieten. „Wir bewegen uns viel in der genauen und hochgenauen Messung und da kommt es eben auch auf die Kompetenz im Maschinenbau an. Dieses Know-how unter einem Dach haben nicht viele. Wir schauen aus Kundensicht und können ihm seine optimale Lösung bieten.“
Bildverarbeitung als Prüftechnik in der Industrie entwickelt sich laut Markus Urban durch alle Bereiche. „Mit einem Bild vom Teil und der entsprechenden Auswertung kann der Anwender seine Merkmale leicht abprüfen. Letztendlich geht es darum, Qualität sicherzustellen.“
Der Markt sei bedeutsam, aber hart umkämpft: Es gibt die großen Player und es drücken sich immer mehr Anbieter hinein, um auch von dem Boom profitieren. Viele Konsolidierungen zeigen außerdem, dass in der Bildverarbeitung viel Bewegung ist und viel Invest zur Verfügung steht. „Der Stellenwert der Mess- und Prüftechnik wird immer höher, weil der Qualitätsanspruch der Kunden steigt. Mess- und Prüftechnik ist die letzte Instanz, bevor die Ware zum Kunden geht.“
Fast überall vertreten
Bildverarbeitung wird in immer mehr Branchen entscheidend, weiß Markus Urban: „Die Automobiltechnik gehört dabei zu unseren Fokusthemen. Schwerpunktmäßig beschäftigen wir uns dort aktuell mit den Themen Interieur und auch E-Mobilität.“ Weiterhin setzen viele Spritzgussautomatisierer Produkte von Z&U als OEM-Systeme ein. Und weil in der Medizintechnik der Qualitätsanspruch sehr hoch ist, könne sich das Unternehmen auch dort gut behaupten.
Beim Steckverbinderhersteller beim Steckverbinderhersteller ODU ist Z&U als etablierter Partner für Bildvearbeitung beispielsweise schon sehr früh in die Produktion eingebunden, um die Teile an der richtigen Stelle zu messen und zu prüfen. „Wir liefern hier regelmäßig Lösungen als klassische Inline-Systeme und aktuell sogar eine komplette Anlage inklusive Teiletransfer.“ Einige Systeme laufen seit vielen Jahren einwandfrei und die auch die Zusammenarbeit ist über Jahrzehnte gewachsen.
Überhaupt sind die meisten Kunden von Ziemann & Urban Wiederholungstäter. „Wir sind sehr rührig in der Medizintechnik, vor allem in der Pipettenprüfung, und fassen dort immer besser Fuß“, erzählt Markus Urban. „Unser Hauptkunde dort ist in der Szene sehr bekannt und so dürfen wir immer neue Systeme liefern. Über Innovationen versuchen wir, uns in neuen Märkten zu positionieren. Ein großer Schritt in die Zukunft ist auch ein KI-Projekt mit einem großen Player aus dem Automobilsektor.“ Z&U versucht, vor allem über seine Lösungen zu werben. Dazu gibt es eine Datenbank, anhand der sich ein Interessent orientieren kann, was Ziemann & Urban bieten und realisieren kann.“
Immer aktuell bleiben
In Sachen Forschung & Entwicklung verfügt der Bildverarbeiter über einen hohen Ingenieursanteil und eine eigene Entwicklungsabteilung. Für die Automatisierung der Systeme gibt es eigene SPS- und Roboterprogrammierer und auch für die Elektronik sind Experten im Haus, die zum Beispiel kleine Steuerkästen bauen. Und zu einer ganzheitlichen Entwicklung gehört auch die eigene Mechanikkonstruktion. „Wir haben alles, was wir benötigen, in der eigenen Hand. Die Fertigung geben wir in unser lokales Lieferantennetzwerk und hier im Haus wird montiert und in Betrieb genommen. So können wir so flexibel wie möglich bleiben“, erzählt Markus Urban.
Basis aller Entwicklungen ist eine umfangreiche Werkzeugkiste an Software in Form von ZU-Vision Bildverarbeitung und ZU-Control für die Visualisierung und Steuerung. „Wir versuchen daraus anhand der Anforderungen des Kunden die passende Lösung zu generieren und gemeinsam zu designen. Wir haben einige fertige Produkte und Systeme im Programm, zum Beispiel den Flexible Chip Mounter für die Sortierung und Platzierung von Halbleitermodulen oder Biochips. Auch der HEKUtip QC Assistent für die Pipettenprüfung ist ein fertiges Produkt, das wir jederzeit bauen können, aber meistens gehen wir mehr von der Lösungsseite an ein Projekt heran.“
Manche Kunden wollen Fernwartungs- oder Wartungsverträge, manche lieber eine Zusammenarbeit auf Zuruf. „Voraussetzung ist aber immer, dass uns der Kunde in seine Umgebung hineinlässt. Manchmal ist es Pflicht vor Ort zu sein, und grundsätzlich muss man für sehr genaue Messungen mit Fähigkeitsnachweisen für Abnahmen alles mit dem Kunden sehr exakt abstimmen. Wir arbeiten auch in rauen Umgebungen mit der Genauigkeit eines Messraums. Das müssen wir auch in der Maschinenauslegung beachten.“
Wenn eine hundertprozentige Prüfung wegen hoher Stückzahlen oder Geschwindigkeit nicht möglich ist, nehmen die Ingenieure auch mal eine Messung exemplarisch heraus und rechnen das dann statistisch hoch. „Weil wir früh in die Entwicklung einbezogen sind, machen wir auch Vorschläge, die Prüfung in der Fertigung umzustellen. Bei ODU war es etwa so, dass wir eine Messstelle weiter vorne in der Linie angesiedelt haben und die Produktivität enorm steigern konnten. Auch können wir sehr gut skalieren und eine Kamera sehr schnell hinzufügen und integrieren. Wir haben noch jede ‚Kiste‘ zum Laufen gebracht und stehen auch in der Verantwortung, das Risko zu minimieren.“
Und wie findet der Bildverarbeiter die richtigen Komponenten, wie kommen Kooperationen zustande? Markus Urban gibt ein Beispiel: „Wir beschäftigen uns ja sehr intensiv mit hochgenauen Systemen und da ist Telezentrie schon lange ein Thema. Wenn wir lokal aber nicht die Qualität der Komponenten gewährleisten können bezüglich Preisen oder Lieferfähigkeit, müssen wir nach Alternativen suchen.“ So geschehen bei Canrill, wo Z&U auf Lieferantenbasis schon eine geraume Zeit Komponenten gekauft hat. „Das chinesische Unternehmen ist dann auf uns zugekommen, ob wir deren Objektive nicht vertreiben möchten. Und da haben wir gerne zugesagt.“
Z&U sucht permanent nach Innovationen und neuen Themen, um das Portfolio zu erweitern. „Generell sind wir aber ein sehr lieferantentreues Unternehmen. Für Kameras oder Beleuchtung haben wir jeweils langjährige Geschäftsbeziehungen und pflegen diese auch.“ Oft geben aber auch die Kunden die eingesetzten Komponenten vor. „Wir verwenden sehr viel Energie darauf, abzuklären, was der Kunde genau will – und evaluieren so die passende Messtechnik, notfalls mit neuen Komponenten. Wir benennen aus unserer Erfahrung heraus die robusteste, schnellste, günstigste oder feinfühligste Lösung und fungieren dabei oft als verlängerte Werkbank hinsichtlich Machbarkeit oder Evaluierung.“
Auf jeden Fall wird Maschine Vision auf lange Sicht ein wichtiges Thema bleiben. „Dabei dreht sich viel um Künstliche Intelligenz und das macht den Zugang für die Kunden viel flacher“, so Urban. „Man muss hierbei aufpassen, wenn es um messende Aufgaben, Genauigkeiten oder Fähigkeitsnachweise geht. Hier gibt es noch einige Fallstricke. Generell nähert sich die KI den Kunden aber immer weiter an und wir können dabei ganz sicher viel Hilfestellung geben.“
Auch bei Trends: Kunden im Fokus
Bei der Digitalisierung als Grundlage und Megatrend ist es gerade für eine kleinere Firma wie Z&U wichtig, am Ball zu sein und Lösungen zu suchen. „Themen wie KI oder 3D-Messung beschäftigen uns auf jeden Fall. Wir haben damit schon vor vielen Jahren begonnen. Wenn Themen so gehypt werden wie die Digitalisierung momentan, sind wir grundsätzlich gerüstet, aber müssen immer die Anforderungen und Lösungen betrachten, die der Kunde braucht. Buzz-Words wie Tracebility, Big Data oder KI machen nicht automatisch einen Sinn.“
Aber generell muss Z&U sehr digital sein, das geht von den Konstruktionsentwürfen über die Software bis ins Labor. Hier sei das Unternehmen mit aktuellen Tools gut gerüstet. Aber alles geht nicht digital über Simulation oder CAD, irgendwann muss das echte Bauteil zur Verfügung stehen. Wichtige Themen sind die Rückverfolgbarkeit oder viele Messdaten in kurzer Zykluszeit zu erfassen. „Die Challenge dabei ist, eine sinnvolle, greifbare und klare Aussage daraus zu generieren. Daten sammeln ist leicht, aber sie zu nutzen, nicht. Um das zu schaffen, müssen wir eng mit den Anwendern zusammenarbeiten und tief in die Prozesse einsteigen.“
Condition Monitoring ist hier eine überwiegend begleitende Erscheinung, Z&U komme eher von der Qualitätsprüfung. „Die Kunst ist, aus Messdaten Rückschlüsse auf die Produktion zu finden, aber der direkte Einfluss auf dieselbe ist nicht unser primäres Thema. Wir sehen, was auf Messen oder in Kundenforen passiert und sind auch aktiv in Gremien und Fachkreisen aktiv. Wir wollen offen sein und neue Strömungen möglichst früh mitbekommen.“
Das Thema Machine Vision wächst vor allem im Interieur-Bereich sehr stark und hat Potenzial, Anbieter immer weiter zu tragen, ist sich Urban sicher: „Hier haben wir viele Projekte, und das wird auch so bleiben, genauso wie in der Medizintechnik mit den hochvolumigen Einwegprodukten. Auf diese Wachstumsmärkte werden wir uns auch in Zukunft fokussieren. Zum Glück werden uns unsere Bestandskunden dabei mitziehen und wir werden von deren Innovationen profitieren. Wir haben das Rüstzeug und alles entwicklungsseitig selbst in der Hand und werden deshalb auch weiterhin flexibel und lösungsorientiert arbeiten können.“
Autor: Michael Kleine
