Fachartikel
Abstandssensorik
Mit dem Sensor durch die Wand
Ein neues System von Metirionic misst durch Wände und erfasst über Standardschaltkreise Gegenstände oder Personen sehr genau. Dr. Attila Römer, Geschäftsführer und Gründer sowie Vertriebsleiter Rainer Ihra erklären die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Technologie.
Herr Dr. Römer, erzählen Sie bitte die Geschichte von Metirionic und warum das Unternehmen gegründet wurde.
Römer: Angefangen hat alles zu einem Zeitpunkt, wo die Sensornetzwerke ganz groß im Kommen waren, und wir uns überlegt haben, was die Information eines Sensors in einem Funknetzwerk nutzt, wenn man nicht weiß, wo der Messwert herkommt. Insbesondere, wenn es sich um sehr große Netzwerke handelt. Es stellte sich immer mehr die Frage, woher der Messwert kommt, außerdem unterliegt ein Sensor irgendwann auch mal einer Wartung und nach dem Austausch landet er nicht an der gleichen Stelle wie vorher. Eine Industriehalle mit vielen Ventilen oder Drucksensoren wird dann leicht unübersichtlich, und es ist dann schwierig, die einzelnen Einheiten zu lokalisieren.
Unser Firmenname setzt sich folgendermaßen zusammen: Metiri kommt aus dem Lateinischen und heißt „Messen“ und on IC heißt im Englischen „auf dem Schaltkreis“, in Gänze also „Messen auf dem Schaltkreis“. Unser Name ist also Programm.
Gibt es Meilensteine auf dem Weg bis zum Highlight Mars 2.0, das Sie auf der SENSOR+TEST präsentieren?
Römer: Wir wollten ein Messverfahren entwickeln, dass zum Zeitpunkt unserer Gründung noch nicht verfügbar war, und das möglichst mit Standardschaltkreisen arbeitet. Der Hintergedanke war: Auf Basis der damaligen Lösungen wie Wireless Hart oder Zigbee haben wir ein proprietäres System entwickelt um zum Beispiel Feuerwehrleute im Einsatzgebiet zu orten oder Roboter fernzusteuernn. Danach lag der Gedankengang nahe, mit einem bestehenden Standard eine höhere Marktdurchdringung zu erreichen. Darum sind wir darauf gekommen Bluetooth zu nutzen, denn dieses Funkverfahren war bereits sehr verbreitet. Darum sind wir Mitglied in der Bluetooth SIG geworden und sind in mehreren Gremien vertreten, für das, was heute Channel Sounding genannt wird, weil es um die Darstellung von Tönen geht.
Was wir zeigen, ist eine Art Preview für das, was demnächst beim Channel Sounding möglich sein wird. Wir sind in der Lage, Abstände mit Standardschaltkreisen zu messen. Und das mit einer Genauigkeit, die es so vorher nicht gegeben hat. Vorhandene Lösungen wie Feldstärkegeräte aus der Corona-App, liefern dagegen nur Schätzungen.
Was uns besonders freut ist, dass die Metirionic zehn Jahre alt geworden ist. Schön ist, dass wir derzeit erfolgreich am Markt sind und haben uns ganz fest vorgenommen, in den nächsten zehn Jahren den Markt mit neuen Ideen aufzumischen. Cannel Sounding kommt so langsam in den Standard, man kann Punkt-zu-Punkt-Messungen machen und in Richtung Passivradar weiterdenken. Es wird zukünftig noch viel Neues von uns geben.
Können Sie dazu bitte die Funktionsweise Ihrer neuen Messlösung erklären?
Ihra: Die Basis bildet die 2,4-GHz-Frequenz, dessen großer Vorteil ist, durch Wände messen zu können und in einem gesamten Gebäude zu funktionieren. Darum ist sie so gut geeignet für den Einsatz bei der Feuerwehr, indem wir die einzelnen Feuerwehrleute vernetzen. Infrarotsensoren können diese aber nicht durch eine Wand verfolgen, aber wir. Auch in einem Erdbebengebiet oder in Lawinen können wir jedes Bluetooth-fähige Mobilgerät lokalisieren. Das wird bald auf allen Betriebssystemen möglich sein, wie iPhone, Android oder mit Smart-Watches.
Römer: Das Schlagwort für das Messverfahren ist ein Sekundärradar, man kennt üblicherweise aber meist nur das Primärradar, wie es im Militär eingesetzt wird. Dort misst man die Reflexion ausgesendeter Signale an Objekten, was schnell zu Ungenauigkeiten führt. Bei der Sekundärvariante gibt es aber eine Gegenstation. So weiß man genau, wer antwortet, und der Abstand lässt sich wesentlich genauer bestimmen, weil der Sensorknoten exakt bekannt ist. Und ich kann über den vorhandenen Datenkanal gleich auch noch Sensordaten zu Feuchte, Temperatur oder verschiedene Gase mit übertragen.
Ihra: Viele Anbieter verkaufen für einen Kunden ganz viele Sensoren und im Servicefall weiß der Betreiber dann in großen Industrieanlagen nicht mehr, wo seine Geräte sitzen. Mit unserer Lösung sieht er genau, wo sich die Sensoren exakt befinden.
Römer: Das Gleiche gilt für Stellantriebe in Heizsystemen, die sich im gesamten Gebäude mit unserer Lösung schnell und einfach regulieren lassen. So muss kein Monteur auf irgendwelche Leitern steigen und die Antriebe suchen, um eine Justage vorzunehmen. Pläne stimmen oft nicht mehr, aber mit einem Tablet und unserer Lösung bekommt der Betreiber jederzeit eine aktuelle Darstellung.
Ist das auch das Prinzip, was in der Intralogistik so stark zum Tragen kommt?
Römer: Absolut. Denn Lagerbetreiber müssen immer wissen, wo sich eine bestimmte Ware befindet. Herkömmliche Verfahren nutzen Satelliten oder Anker, die als Referenz für die Messung dienen. Die werden benötigt, aber unsere Bluetooth-Schaltkreise sind sehr stromsparend, verursachen weniger Kosten und sind sehr effektiv. Man könnte jede Palette mit einem unserer Tags ausstatten und so entstehen mit jedem eingebrachten Sensor neue Referenzpunkte und es bildet sich ein Mesh-Netzwerk. Die Funkknoten können so untereinander kommunizieren und Abstände messen. Je mehr Objekte im Lager sind, desto präziser wird die Standortbestimmung. Es bildet sich eine Art Schwarm mit einer gemeinsamen Intelligenz. Ein Mitglied kann erzählen, welche anderen um ihn herum sind. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu den klassischen Funkverfahren wie UWB, bei denen es gilt, so viele Referenzpunkte wie möglich gleichzeitig zu messen.
Ihra: Auch Gabelstapler lassen sich auf diese Weise tracken sowie die Ware, die sie irgendwo im Lager ablegen. So entsteht wieder ein zusätzlicher Referenzpunkt. Mit unserer Lösung kann man die ausgebrachten Sensoren als Infrastrukturgeräte umbauen, so dass sie nicht mehr nur Daten produzieren, sondern auch die Abstände zueinander.
Ein interessantes Einsatzgebiet ist ja auch die Robotik und auch hier soll Ihre Lösung aktiv werden können…
Römer: Wir stellen als Unternehmen unsere Technologie zur Verfügung. Wir entwickeln sie und bieten sie unseren Kunden an. Die Endprodukte gehören unseren Kunden mit der Metirionic-Lösung, die sie integriert haben. Unter anderem baut einer von ihnen Industriefernbedienungen und dort muss der Not-aus-Schalter sicher funktionieren.
Früher begrenzte das Kabel bei jedem Roboter die Reichweite, heute in der Wireless-Ära reicht ein Handheld-Gerät für mehrere Roboter. Allerdings muss der Bediener immer rechtzeitig den Not-aus-Knopf erreichen können, wenn ein Fehlerfall auftritt, der auch Verletzungen der Arbeiter verursachen kann. In diesem Fall stellt unsere Technologie den Abstand fest und gibt Alarm, wenn der maximale Abstand überschritten wird. Wir unterstützen unsere Kunden bei der Einhaltung sämtlicher Industrienormen und Zertifizierungen, die alle sicherheitsrelevanten Parameter abdecken und einen robusten Betrieb ohne Interferenzen durch andere Funksysteme gewährleistet. Die Güte muss dabei dieselbe sein wie bei Verwendung eines Kabels. Und das können wir in vollem Umfang leisten, auch mit redundanten Systemen.
Ihra: Unser System lässt sich sehr gut überwachen und es dokumentiert per eingebautem Datenlogger alle Datenbewegungen. So lässt sich bei einem Unfall der korrekte Umgang mit der Fernbedienung nachweisen.
Römer: Ein weiterer Vorteil des Channel-Sounding-Verfahrens ist die mehrfache Verwendung von Kanälen, um ausreichend Töne zu messen und die Güte der Ergebnisse auch trotz auftretender Interferenzen mit hoher Wahrscheinlichkeit sicherzustellen und die Messung als gültig zu bewerten. Auf der anderen Seite kann auch der Schluss eintreten, dass es nicht genügend Vertrauen in die Messung gibt und eine Wiederholung erforderlich ist. Wir können unseren Kunden so quasi ein Condition Monitoring ermöglichen.
Was würden Sie als USP Ihrer Lösung bezeichnen?
Römer: Die gesamte Technologie bringen wir in einem extrem kleinen Formfaktor unter, mit allen erforderlichen Bauteilen wie Knopfzelle, Elektronik und Funkantenne. Wir wollen unseren Kunden zeigen, wie klein wir eine solche Lösung zur exakten Abstandsmessung hinbekommen und was sie alles kann. Die Vielfalt der Anwendungsfälle ist nur durch die Fantasie der Endkunden begrenzt. Dank des winzigen Chips lässt sie sich überall leicht integrieren. Ein Beispiel ist die Bergung von Verschütteten durch eine Lawine, denn er passt auch in eine Smart-Watch, die man in den Bergen mit sich trägt. Bisherige Bluetooth basierte Ortungssysteme senden nur einen einzigen Ton aus, der mühselig per Antennensystem und Triangulation lokalisiert werden muss. In Zukunft lässt sich das sicher besser und genauer lösen und vielleicht ist unsere Technologie in diesem Fall bald verpflichtender Standard. Wir sind bereit, daran mitzuarbeiten.
Ihra: Eine weitere Anwendungsidee ist, dass Handwerker ihre Werkzeuge mit einem winzig kleinen Tag versehen und sie wissen, wenn sie eine Baustelle verlassen, all ihre Werkzeuge im Wagen zu haben. So können sie sicherstellen, die teuren Utensilien nicht zu verlieren.