Intralogistik

Sind humanoide Roboter im Lager nur ein Hype oder bereits Realität?

Sind humanoide Roboter im Lager nur ein Hype oder bereits Realität?

Ein Kommentar von Prof. Dr.-Ing. Alice Kirchheim, Institutsleiterin des Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik und Ordinaria des Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen an der TU Dortmund. 

Wer sich mit Automatisierung in der Logistik auseinandersetzt, kommt am Thema humanoide Roboter nicht mehr vorbei. Mehr Menschen gehen in Rente als auf den Arbeitsmarkt kommen. Sensoren und Rechenhardware sind leistungsfähiger, intelligenter und günstiger denn je. Das schafft die Basis für einen Hype bei komplexer Automatisierungstechnik und genau dazu gehören humanoide Roboter. Doch ist für viele Praktiker noch unklar wieviel Hype und wieviel Realität das ist. 

In der Intralogistik gibt es viele manuelle Prozesse wie kommissionieren, Retouren bearbeiten, LKW be- und entladen. Zuverlässig können viele dieser Aufgaben heute nur von Menschen übernommen werden. Am Markt verfügbare Automatisierungslösungen stoßen immer noch an Grenzen, sind zu starr oder zu teuer. Genau deshalb ist die Idee so attraktiv diese Aufgaben von Robotern erledigen zu lassen, die sich wie Menschen bewegen und handeln. Heutzutage sind viele Menschen in der Logistik tätig, sodass bestehende Arbeitsplätze und Arbeitsmittel für sie geschaffen sind. Ein flexibel einzusetzender humanoider Roboter könnte zwischen Aufgaben und Umgebungen wechseln. Damit wird Automatisierung adaptiv, skalierbar, flexibel und resilient. In der Folge werden neue Geschäftsmodelle entstehen, z. B. saisonales Leasing von Robotern und pay-per-pick-Angebote. 

Ich gehe davon aus, dass wir im Hype-Zyklus kurz vor dem Gipfel der Erwartungen stehen. In drei Jahren werden humanoide Roboter noch nicht in großer Zahl menschliche Arbeitskräfte ersetzen. Operative Fragen wie Betriebssicherheit sind noch längst nicht gelöst. Wahrscheinlicher ist, dass wir mit zunehmender Marktdurchdringung eine intensive Phase des Probierens, Lernen und Anpassens der Roboter erleben werden: Wie viele Arme sind sinnvoll? Welche Form sorgt für Sicherheit im Zusammenspiel mit Menschen? Roboterprojekte wie der evoBOT am Fraunhofer IML zeigen bereits, dass es nicht immer eine streng menschenähnliche Gestalt braucht, um neue Wege zu gehen. 

Mein Rat: Es ist wichtig strategisch mitzudenken, ohne in Aktionismus zu verfallen. Logistik ist und bleibt eine Anwendungsdomäne. Wer vorne mitspielen will, sollte sich in Konsortien und Technologiepartnerschaften engagieren, da die technologischen Herausforderungen immer umfassender werden. Gleichzeitig ist die Basis nicht zu vergessen: Ohne sauber digitalisierte Prozesse lässt sich nicht sinnvoll automatisieren. Dies gilt auch für den Einsatz von Roboter. 

Humanoide Roboter sind zwar ein weiterer Evolutionsschritt, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Die Logistik der Zukunft wird Systeme hervorbringen, die weit über den Menschen als Maß aller Dinge hinausgehen. Europa hat dabei gute Chancen: Unsere Stärke in Prozess- und Systemintegration ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, wenn wir sie entschlossen nutzen! 

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