Bildverarbeitung
Deep Learning erkennt’s!
Höchste Geschwindigkeit und Erkennungsraten von am besten 100 Prozent – das sind die Anforderungen an die Qualitätskontrolle in der Verpackungsbranche. Wie die hohen Anforderungen erreicht werden können, zeigt das Unternehmen Inndeo mit einer ausgeklügelten Automatisierungslösung auf Basis industrieller Bildverarbeitung und Deep-Learning-Technologien von MVTec.
Inndeo mit Hauptsitz im spanischen Saragossa bietet mit seiner Marke Inspectra hochwertige Bildverarbeitungslösungen für die Automatisierung von Qualitätsprüfungen an. Das 2016 gegründete Unternehmen ist mit seinen Lösungen bislang hauptsächlich im Lebensmittelsektor tätig und möchte in Zukunft auch in der Logistik Fuß fassen.
Dazu hat das Unternehmen die Inspektionslösung Thermoseal & Label Inspector entwickelt, mit dem sich Verpackungen verlässlich inspizieren und Etiketten lesen lassen. Das Gerät vereint verschiedenste anspruchsvolle Technologien wie Hochgeschwindigkeits- und Verarbeitungserfassung mit der Inspectra HSP-Technologie, hyperspektraler Bildverarbeitung, Deep Learning und leistungsstarken RGB.
Durchgängig automatisieren
Inspectra hat sich zum Ziel gesetzt, für die Verpackungsbranche eine durchgängig automatisierte Lösung zu entwickeln. Eine solche Lösung auf Basis von Machine Vision bietet höhere Erkennungsraten von Defekten der Verpackungen, eine Kostenersparnis sowie die umfassende Digitalisierung der Produktionsprozesse. In der Praxis kommt es durch manuelle Prozesse immer wieder vor, dass fehlerhafte Produkte in die Lieferkette kommen und den Endkunden erreichen.
Ziel einer automatisierten Lösung muss es also sein, alle erdenklichen Defekte an Verpackungen zuverlässig zu erkennen. Dazu gehören zum Beispiel Anomalien im versiegelten oder heiß versiegelten Bereich, in der Schale, im inneren Produkt, an der Folie oder in der Etikettierung. Durch eine 100-prozentige Automatisierung der Qualitätskontrolle sinken auch die Kosten und es gelten objektive Kriterien bei der Sortierung der zu prüfenden Objekte. Außerdem ist es möglich, die Qualitäts- und Produktionsdaten durchgängig zu digitalisieren und die entsprechenden Indikatoren in Echtzeit anzuzeigen.
Zwar bietet der Markt auch andere Geräte und Lösungen für Inspektionen durch maschinelles Sehen an. Diese erweisen sich aber häufig als nicht robust genug, haben zu geringe Erkennungsraten und lassen sich nur schwer an Änderungen in den Produktionslinien anpassen. Aufgrund einer mangelhaften Präzision und Zuverlässigkeit bei der Fehlererkennung nehmen viele Anwender von derartigen Lösungen Abstand und führen die Fehlerinspektion lieber manuell durch.
Inspectra möchte mit seiner Machine-Vision-Lösung genau diese Schwachstellen ausmerzen: „Um schnellere Inspektionsprozesse und robustere Erkennungsergebnisse als der Wettbewerb zu gewährleisten, hatten wir ein klares Ziel definiert. So sollten beispielsweise Qualitätsmängel bei Lebensmittelverpackungen mit einer hohen Produktionsrate von bis zu zwei Packungen pro Sekunde identifiziert werden. Dies sollte eine Inline-Ausmusterung ermöglichen, was Verarbeitungszeiten von nur wenigen Millisekunden pro Bild erfordert“, erklärt Emilio de la Red Bellvis, Chief Innovation Officer bei Inndeo. Für die Umsetzung dieser Ziele war es unerlässlich, die Anwendung mittels Machine Vision durchgängig zu automatisieren.
Fehlererkennung mittels Machine Vision
An verschiedenen Stellen innerhalb der Inspektionsumgebung positionierte Kameras nehmen Bilder der zu prüfenden Objekte auf. Diese werden von der integrierten Machine-Vision-Software MVTec Halcon verarbeitet. Halcon ist die umfassende Standardsoftware für die industrielle Bildverarbeitung. Entwickelt wird die Software von der MVTec Software GmbH mit Sitz in München.
Für versiegelte Bereiche ermittelt Halcon auf Grundlage verschiedener Parameter den relevanten Prüfbereich des Bildes. Zu diesem Zweck verwendet Inndeo eine hochauflösende RGB-Vision-Technologie, um einfache Fehler auf versiegelten Flächen, wie Schinkenstücke, deren Farbe in einer transparenten Schale leicht zu erkennen ist, zu finden. Zudem setzt das Unternehmen hyperspektrale Bildverarbeitungstechnologie für komplexere Fehler ein. So lassen sich geschmolzenes Schinkenfett, das den gleichen Farbton wie der Kunststoff der Schale hat, oder Fehler in undurchsichtigen oder bedruckten Schalen erkennen.
Deep Learning wird ebenfalls zur Erkennung bestimmter Fehler eingesetzt. Die Software imitiert das Verhalten des menschlichen Gehirns und ist in der Lage, die Bilder mit einer höheren Erkennungsgeschwindigkeit und -effizienz als das menschliche Auge zu interpretieren. Das System ist in der Lage, im Rahmen einer Trainingsphase zu lernen, ohne dass eine zusätzliche Programmierung durch den Benutzer erforderlich ist. Diese Technologie ermöglicht die Erkennung von Falten in Siegelfolien, von Fehlern in der Zusammensetzung des Produkts in der Schale und von Qualitätsmängeln, die von Standardalgorithmen der industriellen Bildverarbeitung nicht erkannt werden können.
Ein anderes Anwendungsszenario ist die Inspektion der Etikettierung und die Prüfung, ob sich Falten unterhalb des Etiketts gebildet haben. Um das Etikett zu erkennen, sucht ein entsprechendes konfigurierbares Werkzeug nach einem bestimmten Muster. Sobald dieses lokalisiert ist, erfolgen die Prüfprozesse. Dabei nutzt die Applikation die in Halcon integrierten Technologien der optischen Zeichenerkennung wie OCR (Optical Character Recognition) oder Deep OCR, welche Texterkennungsfunktionen mit intelligenten Deep-Learning-Algorithmen kombinieren. Zur Erkennung von Anomalien der aufgebrachten Etikettierung wie etwa Falten, Knicke, Risse oder Verunreinigungen wie Federn, Haare oder Knochenspuren kommen ebenfalls Deep-Learning-Technologien sowie ein Musterabgleich von Farbtönen zum Einsatz.
Flexible Schnittstellenintegration
Für den Endkunden ist es wichtig, dass die Inspektionslösung Thermoseal Inspector auch technisch nahtlos in die vorhandene Prozessumgebung eingebunden werden kann. Dadurch kann der Nutzer beispielsweise die Steuerung der Inspektionsanlage in der für ihn bekannten Umgebung durchführen.
„Die Integration einer Schnittstelle war eine der größten Herausforderung bei der Umsetzung. Das liegt daran, dass sich die verschiedenen Parameter der Inspektion von einer anderen Systemsteuerung aus konfigurieren lassen und alle Bilder der verschiedenen Kameras in sehr kurzer Zeit analysiert werden müssen. Man darf dabei auch nicht außer Acht lassen, dass die Bildeinzugsgeräte mit enorm hoher Geschwindigkeit arbeiten. So muss die Bildverarbeitungssoftware in sehr kurzer Zeit entscheiden, ob eine Verpackung fehlerhaft ist und ausgesondert werden muss“, erklärt Emilio de la Red Bellvis.
Erleichtert wurde die Integration der Lösung von den Möglichkeiten, die MVTec Halcon bietet: „Die Software bietet diverse Schnittstellen für viele Arten von Industriekameras und die Möglichkeit, Skripte mittels der HDevEngine innerhalb einer realen Anwendung auszuführen und zu debuggen. Als weitere Stärken der MVTec-Produkte sehen wir die große Vielfalt an Bildverarbeitungsalgorithmen, die komfortable Programmierung sowie die nahtlose Integration in unsere Software“, bestätigt Emilio de la Red Bellvis.
Hardwareseitig umfasst das Anwendungs-Setup verschiedene Komponenten, wie etwa mehrere Industrie-PCs der neuesten Generation. Diese empfangen die Bilder von den einzelnen Kameras und kommunizieren mit SPSen. Dabei sah sich Emilio de la Red Bellvis mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: „Angesichts des derzeitigen Mangels an elektronischen Bauteilen mussten wir eine flexible Programmierung entwickeln. Dadurch konnten wir verschiedene Kameratypen, Verarbeitungsarchitekturen und GPUs berücksichtigen, sodass die Hardware je nach Verfügbarkeit variieren kann.“
Bilder: INNDEO