Zustandsüberwachung
Intelligente Kunststoffe für Instandhaltung mit Zukunft
Gleitlager aus Hochleistungskunststoff und andere Produkte von Igus werden durch vernetzte Sensoren zu „smart plastics“. Diese Entwicklungen ermöglichen Industriebetrieben weltweit einen kostengünstigen Einstieg in die intelligente Zustandsüberwachung und vorausschauende Wartung.
Mit dem Auto in die Werkstatt fahren: eine geplante Ausfallzeit, die mit Bus, Bahn oder Mietauto zu überbrücken ist. Mit dem Auto auf der Autobahn liegenbleiben: eine ungeplante Ausfallzeit, die ins Portemonnaie gehen kann – etwa dann, wenn ein wichtiger Geschäftstermin auf der Strecke bleibt. Ähnlich ergeht es der Industrie. Ungeplante Ausfallzeiten reißen Löcher ins Budget. Und zwar größere als noch vor einigen Jahren, zeigt eine Studie von Senseye, Hersteller von Analysesoftware aus Großbritannien. Demnach kostet jede Stunde Anlagenausfall zwischen 39 000 US-Dollar in Fabriken für Konsumgüter und zwei Millionen US-Dollar in Autofabriken. Entsprechend bemüht zeigen sich immer mehr Betriebe, solche Ausfallzeiten zu vermeiden. Ein Balance-Akt, scheuen sie doch gleichzeitig die erheblichen Kosten einer übermäßigen Wartung. Zum Glück gibt es eine Wartungsstrategie, der sich immer mehr Unternehmen zuwenden: die vorausschauende Wartung. Die Idee: Maschinen und Anlagen melden sich eigenständig, wenn ein Problem droht. Intelligente Software, die mit Technologien wie Big Data und maschinellem Lernen arbeitet, berechnet dann den besten Zeitpunkt für eine Wartung. So fahren Techniker nicht mehr auf Sicht, sondern können frühzeitig Schwachstellen beheben, bevor es zu teuren Ausfällen und Folgereparaturen kommt. Anwender reduzieren so ihre ungeplanten Maschinenstillstände um bis zu 50 Prozent und die Instandhaltungskosten um bis zu 40 Prozent, zeigt der aktuelle Predictive Maintenance Report 2023 von Senseye. „Die Vorteile der vorausschauenden Wartung sind so groß, dass Unternehmen jeder Größe davon profitieren sollen – ohne hohe Investitionskosten als Einstiegsbarriere“, sagt Richard Habering, Leiter Geschäftsbereich smart plastics bei Igus. Aus diesem Grund ist das Kölner Unternehmen dazu übergegangen, seine Produkte wie Gleitlager, Energieketten und Leitungen mit „Sinnen“ auszustatten – die Voraussetzung dafür, dass Maschinen überhaupt ihren Zustand kommunizieren können.
Dank vernetzter Sensoren das „Fühlen“ lernen
Sinne, das sind in der Technikwelt Sensoren. Sie finden sich bei Igus in Form von i.Sense (abgeleitet von „ich fühle“) beispielsweise in Gleit- und Gelenklagern aus Hochleistungskunststoff, die in der Industrie in tausenden Anwendungen wie Getränkeabfüllanlagen oder Landmaschinen zum Einsatz kommen. Galt die Einbindung vernetzter Sensoren in solche Kleinteile vor einigen Jahren noch als unwirtschaftlich, mischt Igus die Karten neu. Das Unternehmen integriert im Spritzgussverfahren Abriebsensoren in die Lager. Sie bestehen aus einer dünnen Platine, die in der Nähe der Laufflächen sitzen. Kommt es nun im Betrieb zu Abrieb, setzt sich die Platine frei und berührt die Welle. Der Sensor sendet bei diesem Kontakt ein digitales Signal aus. Der Empfänger des Signals ist das i.Sense Modul im Schaltschrank, das mit einer Software die Auswertung der Sensordaten übernimmt. Im aktiven Störungsmanagement werden dort alle Bewegungsanomalien erkannt und direkt an den Anwender bzw. die Maschinensteuerung gemeldet.
Kontinuierlicher „Fitnesscheck“ für Leitungen
Doch nicht nur der Zustand von Lagern lässt sich so überwachen, sondern auch die „Fitness“ der hauseigenen chainflex Leitungen, die für den Dauereinsatz in Energieketten ausgelegt sind. Mit der modernen Sensortechnik der smart plastics können die Zugkräfte auf den Leitungen (i.Sense CF.P), die Leitungsqualität (i.Sense CF.Q) sowie die Datenübertragungsrate (i.Sense CF.D) gemessen werden. So lassen sich beispielsweise mit i.Sense CF.D selbst sehr lange und schwer erreichbare Ethernet-Leitungen schneller denn je instand halten, wenn es durch externe Einflüsse zu Störungen der Übertragungsqualität kommt. Richard Habering: „Wir haben für das Überwachungsmodul i.Sense CF.D eine Funktion entwickelt, die bislang einzigartig ist: eine optische Zustandsanzeige mit genauer Entfernungsangabe der mutmaßlichen Störungsstelle.“ Der Sensor misst kontinuierlich die Übertragungseigenschaften sowie verschiedene, elektrische Parameter über Millionen von Zyklen. So erkennt das System nicht nur Datenverluste in Echtzeit, sondern identifiziert auch die Position des gestressten Bereichs der Leitung sehr genau. So sind Techniker gezielter und schneller denn je in der Lage, die Leitung des entsprechenden Segments ohne Ausprobieren sofort auszutauschen. „Die Investition in ein CF.D Modul ermöglicht eine Amortisation in wenigen Monaten sowie einen Return-on-Invest von über 500 Prozent im Jahr“, betont Habering.
Gleitlager lernen das „Fühlen“. Leitungen machen einen „Fitnesscheck“. Und Igus Energieketten aus Hochleistungskunststoff? Sie kommen in zahlreichen Branchen weltweit zum Einsatz, ob Krananlagen, Theaterbühnen oder Werkzeugmaschinen, und spielen bei der Standzeit von Maschinen und Anlagen ebenfalls eine wichtige Rolle. Kein Wunder also, dass Igus auch ihnen „Sinne“ spendiert. Zum i.Sense System für e-ketten zählt beispielsweise EC.P, ein Sensor, der am Mitnehmer der Energiekette montiert ist und im laufenden Betrieb die Zug- und Schubkräfte misst. Tritt ein plötzlicher Kraftanstieg auf, etwa weil sich eine Führungsrinne lockert oder ein Fremdkörper ins System gelangt, kann die SPS die Anlage augenblicklich abschalten und so teure Schäden verhindern. Ein anderer Sensor namens EC.B erkennt Brüche in der e-kette über Längenänderungen eines in der Kette eingelegten Seils. Potenzielle Brüche lassen sich damit auch auf sehr langen Verfahrwegen mit nur einem Sensor blitzschnell erkennen. Der Seilzugsensor zeichnet sich zudem durch seine extreme Witterungsbeständigkeit und Robustheit aus, was ihn für Outdoor-Anwendungen wie Krananlagen besonders interessant macht. Auch Betriebe, die besonders aufs Budget achten muss, können die Vorteile der Echtzeit-Zustandsüberwachung für sich nutzen. Denn mit i.Sense EC.W hat Igus eine Low-Cost-Lösung entwickelt, mit der Anwender ihre e-kette für nur 259 Euro smart machen können. Und selbst für dynamische, dreidimensionale Anwendungen am Roboter bietet Igus die passende Lösung: i.Sense TR.B – das weltweit erste Bruchüberwachungssystem für Roboter e-ketten wie die triflex R.
Intelligente vorausschauende Wartung
Doch die Zustandsüberwachung per i.Sense System ist nur die erste Entwicklungsstufe der smart plastics. Anwender haben auch die Möglichkeit, die Sensoren der Energieketten, Leitungen, Linearführungen und Lager per i.Cee Modul (abgeleitet von „ich sehe voraus“) an lokale Netzwerke oder IoT-Systeme anzuschließen und so in ein umfassendes „Predictive Maintenance“-Konzept einzubinden. Bei der klassischen vorausschauenden Wartung erfolgt ein Austausch von Komponenten in einem regelmäßigen Abstand, der oft kürzer ist als die vermutete Lebensdauer. Das bedeutet, sie werden ausgetauscht, wenn sie noch einsatzfähig sind. Das i.Cee System kann mithilfe von Sensoren und Software eine dynamische Lebensdauerberechnung realisieren und optimale Wartungszeitpunkte für die Produkte definieren. Anwender können so die maximale Produktlebensdauer ausreizen und gleichzeitig teure Produktionsausfälle durch ungeplante Anlagenstillstände vermeiden.
Next Level Maintenance mit superwise
Um die vorausschauende Wartung für Kunden künftig noch einfacher zu machen, bietet Igus zudem den neuen, digitalen Service superwise an, der die smart plastics Produkte mit verschiedenen Dienstleistungen verbindet. Herzstück ist das superwise Portal. Das Dashboard, zeigt dem Kunden alle seine registrierten Anwendungen mit Informationen zu Produktlebensdauer-Prognose, Wartungs- und Handlungsempfehlungen bei Anomalie-Erkennung im Überblick. Zudem bietet das Tool die Möglichkeit, direkt passende Ersatzteile zu bestellen. Haben Betriebe trotzdem keine Zeit, die Systeme selbst im Blick zu behalten, übernimmt Igus die Verantwortung für die Applikationen. „Unsere Vertriebsmitarbeiter melden sich dann proaktiv, wenn etwas getan werden muss“, erklärt Habering. „Mit diesem Service wollen wir in Zeiten des Fachkräftemangels die Personalressourcen unserer Kunden schonen und somit ihre Produktivität stärken.“
Bilder: igus