Themenbereich Kalibrierung

Störende Faktoren erkennen

Störende Faktoren erkennen

Leistungskalibratoren und -messgeräte sind feste Bestandteile bei der Herstellung von Geräten, mit denen der Einfluss auf die Netzqualität geprüft wird. Dabei stellt die Kalibrierung von Oberwellen/Harmonischen und Flicker mit sehr kleinen Messunsicherheiten eine besondere Herausforderung dar. Dafür hat Testo Industrial Services ein Verfahren entwickelt. 

 

Der Begriff Netzqualität bekommt seit dem Beginn der Energiewende eine immer höhere Bedeutung. Diese wird jedoch durch den vermehrten Einsatz von Leistungselektronik mit einer nicht linearen Spannung-Strom-Kennlinie, die beispielsweise in Umrichter, Solarwechselrichter, Windkraftanlagen oder Schaltnetzteilen eingesetzt werden, herausfordernder. Oberschwingungen und Flicker sind Beispiele für Phänomene der Netzrückwirkungen. Internationale Normen und Richtlinien fordern zunehmend, dass elektrische Produkte nur eine minimale Netzstörung erzeugen dürfen, da diese zu Ausfällen und Fehlfunktionen bei weiteren angeschlossenen Geräten im Netz führen können.  

Zu den wichtigsten Messgrößen bei der Überwachung von Netzstörungen gehören Oberschwingungen/Harmonische und Flicker, die unter anderem durch verschiedene Normen wie die DIN EN IEC 61000-3-x und -4-x-Serien reguliert werden. Durch den künftig vermehrten Einsatz von Windkraftwerken und Photovoltaikanlagen entsteht eine zusätzliche Belastung durch Oberschwingungen im Netz. Es ist davon auszugehen, dass die Überwachung der Netzqualität künftig eine noch größere Rolle spielen wird.  

Kalibrierung von Oberschwingungen  

Harmonische beziehungsweise Oberschwingungen sind Schwingungen, deren Frequenz ein ganzzahliges Vielfaches der Grundfrequenz ist. Durch die Überlagerung mit der Grundwelle wird ein unerwünschtes, verzerrtes Wellenmuster erzeugt. Dabei ist jedes moderne elektrische Betriebsmittel mit einer umfangreichen Elektronik ein potenzieller Verursacher von Oberschwingungen. Auswirkungen von Oberschwingungen auf Betriebsmittel reichen von Funktionsbeeinträchtigung bis hin zur Zerstörung des betroffenen Gerätes. Weitere Beispiele sind die Überhitzung von Leitern und Transformatoren, Computerfehlfunktionen, Überspannungsprobleme oder Ausfall und Verkürzung der Lebensdauer von Transformatoren. 

Um solche Probleme zu vermeiden, gibt es verschiedene Normen, wie zum Beispiel die DIN EN IEC 61000-3-2, welche die Grenzwerte für Oberschwingungsströme bei Geräte-Eingangsströmen bis zu 16 A definiert oder die DIN EN IEC 61000-3-4, welche diese Grenzwerte für Eingangsströme über 16 A festlegt.  

Das Kalibrierverfahren der Oberschwingungen bei Spannungen erfolgt in vier Schritten: 

  1. Abtastung und Fourier Analyse des zu kalibrierenden Signals 
  2. Abtastung und Fourier Analyse des Referenzkalibrators 
  3. Kalibrierung des Referenzkalibrators mit dem Fluke 5790A 
  4. Berechnung des Messwerts 

Im ersten Schritt wird das zu kalibrierende Signal, wie das der Testo-Produkte Fluke 6105A mit dem Fluke-8588A-Multimeter oder Agilent-3458A abgetastet - hierbei ist das Nyquist-Abtatsttheorem zu erfüllen. Das Theorem besagt, dass die Abtastrate mindestens doppelt so hoch wie die höchste Frequenz des zu untersuchenden Signals sein soll. Das abgetastete Signal wird mithilfe einer Fourier Transformation (FFT) in das zugehörige Frequenzspektrum umgewandelt. Damit wird das abgetastete Signal analysiert und der Spannungswert der gesuchten Oberschwingung U1 ermittelt. Ein abgetastetes Signal durch den Leistungskalibrator Fluke 6105A besteht aus einer Fundamentalwelle bei 6 V, 50 Hz und deren dritte Oberwelle bei 3 V. Zusätzlich wird das dazugehörige Frequenzspektrum, welches mithilfe von FFT ermittelt wurde, aufgezeigt. Der Spannungswert der Oberwelle U1 wurde hiermit ermittelt. 

Der so ermittelte Spannungswert U1 ist noch nicht präzise genug. Um eine bessere Messgenauigkeit zu erzielen, wird zunächst im zweiten Schritt die zu kalibrierende Oberwelle mit Hilfe eines reinen sinusförmigen Signals, das mit dem Fluke 5700A erzeugt wird, abgetastet und ausgewertet. Ein mit dem Fluke 5700A erzeugtes 3 V und 150 Hz Signal samt Frequenzspektrum und den durch FFT ermittelten Spannungswert U2 wird abschließend mit einem weiteren Normal, dem Fluke 5790x referenziert, korrigiert und der Spannungswert U3 ermittelt. 

Das verwendete Normal Fluke 5790x wird regelmäßig mit dem präzisen AC-DC Transfer Normal Fluke 792A, dass bei der Physikalisch Technischen Bundesanstalt PTB überprüft wurde, kalibriert und mithilfe eines so genannten Correction-Files korrigiert. Damit sind die Wechselspannungswerte an das Fluke 792A und damit auf PTB-Ebene rückgeführt. Durch den Vergleich der drei Spannungswerte (U1, U2, U3) können die Messunsicherheiten erheblich reduziert werden. Somit ist es Testo Industrial Services gelungen, Spannungs- und Stromoberschwingungen mit einer Messunsicherheit ab 25 ppm zu erreichen.  

Der Messunsicherheitsbeitrag besteht im Wesentlichen aus der Messunsicherheit aufgrund der Abweichung von Fluke 5790x, der Messunsicherheit aufgrund der Auflösung der Digitalisierung mit Fluke 8588A (18 bit) oder mit Agilent 3458A (28 bit) sowie der Messunsicherheit wegen der FFT aufgrund der Leckeffekte und weitere numerische Einflüsse. Die Kalibrierung der Stromoberschwingungen können aus der Beschreibung zur Spannungsoberwellenmessung adaptiert werden. Allerdings wird hier in Schritt 3 der Shunt-Satz Fluke A40A zur Strommessung mit dem Fluke 5790A kombiniert. 

Kalibrierung von Flicker 

Als Flicker werden Schwankungen der Netzspannung verstanden. Die DIN EN IEC 61000-3-3 beschreibt Flicker als „visueller Eindruck einer Leuchtdichteschwankung“, der „unter anderem durch die Auswirkung von Spannungsschwankungen auf die Lichtproduktion von Beleuchtungseinrichtungen hervorgerufen werden kann und dessen Vermeidung auch ein Beitrag für ein belastungsfreies Umfeld darstellt“. 

In der Regel wird bei Flicker zwischen Langzeitflicker (PLT) und Kurzzeitflicker (PST) unterschieden. PST = 1 ist mit dem menschlichen Auge wahrnehmbar und gilt als Grenze, die nicht überschritten werden soll. Die Kalibrierung eines generierten Flicker-Signals wird wie bei Oberschwingungen mit dem Multimeter Agilent 3458A oder Fluke 8588A abgetastet und mittels FFT ausgewertet. Damit kann das Verhältnis ΔU/U ausgewertet werden.  

Autor:Dr. Siyavash Nekuruh, Testo Industrial Services GmbH 

Bilder: Testo Industrial Services GmbH 

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Fachartikel Messtechnik