Bildverarbeitung

Sehende Roboter arbeiten punktgenau

Sehende Roboter arbeiten punktgenau

Akeoplus hat eine innovative Roboterzelle zur Fertigung von Satellitenpanels beim Luft- und Raumfahrtunternehmen Thales Alenia Space entwickelt. Ermöglicht wird eine hohe Akkuratesse durch industrielle Bildverarbeitung von MVTec.  

Optische Solarreflektoren werden in der Raumfahrt genutzt, um beispielsweise Satelliten in geostationären Umlaufbahnen vor den dort herrschenden hohen Strahlungswerten zu schützen. Ein entsprechendes Panel als Außenwand ist mit bis zu 7 000 Reflektoren ausgestattet, wobei ein OSR eine Größe von 40 x 43 mm aufweist. Bislang wurden die OSR auf dem Panel rein manuell aufgebracht.  

„Die Produktion von großen Panels wurde gesteigert, und die Arbeit an solchen Oberflächen war für die Mitarbeiter aus ergonomischen Gründen nicht ideal. Thales Alenia Space als unser Auftraggeber ist ein wichtiger Akteur im Bereich der Raumfahrtausrüstung und strebt ständig nach exzellenten Arbeitsbedingungen und der Qualität seiner Prozesse. Deshalb haben wir gemeinsam beschlossen, den gesamten Prozess zu automatisieren. Unsere Roboterzelle Solar wurde entwickelt, um den Prozess zu beschleunigen und damit die Produktivität zu erhöhen. Unser Kunde kann nun viel schneller produzieren, und das, obwohl wir zusätzliche Schritte zur Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherung eingeführt haben“, erklärt Maxime Motisi, Chief Operating Officer & Projektleiter bei Akeoplus. 

Zwei Roboter arbeiten autonom 

Für den neuen automatisierten Produktionsprozess befinden sich in der Solar-Roboterzelle zwei Roboter sowie ein Positioniertisch, auf dem die Satellitenpanels einzeln aufliegen. Für die absolut genaue Führung ist ein Laser Tracker für den 6-Achsen-Roboterarm zuständig, und für die industrielle Bildverarbeitung werden hardwareseitig drei hochauflösende 2D-Kameras eingesetzt. Die Bildverarbeitungssoftware Halcon von MVTec ist für die Qualitätsprüfung des OSR, die Feinpositionierung, das Human-Machine-Interface und die Visualisierung zuständig. 

Der kleinere und schnellere Roboter entnimmt einen OSR aus der Ablage und legt ihn auf eine Vakuum-Hintergrundbeleuchtung unter der ersten Kamerastation. Die Kamera nimmt ein Bild auf, welches mithilfe von Halcon auf Bruchstellen und Kratzer untersucht wird. Außerdem wird mithilfe der Machine-Vision-Methode „Shape Matching“ die exakte Position des OSR ermittelt sowie geprüft, ob das Bauteil in Größe und Form auch dem laut Bauplan vorgesehenem Modell entspricht. 

Die Positionsbestimmung ist deshalb so wichtig, weil der Roboter jeden optischen Solarreflektor minimal anders greift. Daher wird der OSR mittels Machine Vision ausgerichtet, um ihn mit einer Genauigkeit von rund 0,2 Millimeter zum nächsten Produktionsschritt weiter zu transportieren. Wenn das Bauteil „OK“ ist, wird es unter die Düse des Klebstoffspenders abgelegt. Nachdem der Klebstoff aufgetragen wurde, nimmt der kleinere der beiden Roboter den OSR wieder auf und legt ihn auf einer festgelegten Stelle ab, damit der größere Roboter diesen für die weitere Bearbeitung greifen kann.  

Der Roboter mit dem größeren Arbeitsraum verfährt nun das Bauteil vor die nächste Bildverarbeitungsstation, wo die zweite Kamera Bilder des aufgetragenen Klebstoffs aufnimmt. Das eingezogene Bild des Klebemusters wird von Halcon analysiert. Dabei wird geprüft, ob der Klebstoff gleichmäßig verteilt ist und ein ganz bestimmtes Muster einhält, das die Thermotechniker von Thales Alenia Space entwickelt haben und das genau reproduziert werden muss. Anschließend erfolgt die genaue Ausrichtung des OSR am Arm des Roboters. Das ist der erste Schritt, um den Reflektor hochgenau an der vorgesehenen Stelle am Satellitenpanel anbringen zu können. Dazu nimmt die dritte hochauflösende Kamera wiederum Bilder des OSR auf. Die Ausrichtung erfolgt, indem die Algorithmen von Halcon die räumliche Transformation zwischen den äußeren Kanten des OSR und dem Koordinatensystem des Greifers, der den OSR mit einem Vakuum-Greifsystem hält, bestimmen. 

Die Ecken des OSR werden durch die Schnittpunkte der Kanten ermittelt. Daraus abgeleitet lässt sich ein Koordinatensystem definieren, bei dem die Ecke des OSR zentriert und an die Kanten des OSR ausgerichtet ist. Das Koordinatensystem des Effektor-Roboters wurde im Vorfeld durch eine Hand-Augen-Kalibrierung des Roboters bestimmt. 

Die Bestimmung der Koordinatensysteme ist aus zwei Gründen wichtig: Zum einen für die 3D-Ausrichtung. Es kann sein, dass der Reflektor am Greifer gekippt ist. Daher werden die Ecken des OSR mit der dem Effektor abgeglichen, wobei die jede Ecke bekannt ist und somit als Referenzpunkt fungiert. Dadurch können auch minimale Neigungen oder Verschiebungen ausgeglichen werden. Zum anderen dient die Ecke des OSR als Referenzpunkt zum Anbringen auf dem Panel.  

Da der 2,4 Meter lange Greifarm des Roboters allerdings nicht 100-prozentig genau ist, die Reflektoren aber mit einer sehr hohen Genauigkeit angebracht werden müssen, müssen die Ungenauigkeiten ausgeglichen werden. Mit Unterstützung des Laser-Trackers und der Bildverarbeitungssoftware Halcon hat Akeoplus einen iterativen Rückkopplungsprozess entwickelt. So gelingt es dem Roboter, den OSR mit der geforderten Genauigkeit an der exakten Stelle an dem 18  m2 großem Panel anzubringen.  

Sub-millimetergenau ausrichten 

„Wir arbeiten schon seit vielen Jahren mit MVTec zusammen. Daher wussten, wir dass wir mit Halcon die leistungsstarke Machine-Vision-Software haben, die wir für die Solar-Roboterzelle benötigen“, erklärt Maxime Motisi. Akeoplus setzt zur Steuerung seiner Anlagen auf die Programmiersprache C#. Mithilfe der in Halcon integrierten Entwicklungsumgebung HDevelop kann eine nahtlose Prozessintegration ermöglicht werden, indem beispielsweise die Programmierung der Anlagensteuerung in Halcon geladen und so weiterentwickelt wird. Dann kann das Human-Machine-Interface von Akeoplus jeden Halcon-Prozess als Funktion mit den im Prozessablauf zu verwendenden Ein- und Ausgängen darstellen.  

Dies ist hilfreich, um die Arbeit der C#-Entwickler und des Bildverarbeitungsexperten nicht zu vermischen: Der Bildverarbeitungsprozess findet innerhalb einer Kapsel statt, verwendet Bilder und Parameter als Eingabe und liefert Ergebnisse oder Werte zurück. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Implementierung war die Geschwindigkeit und die Möglichkeit, schnell leistungsstarke Algorithmen zu entwickeln oder anzupassen, die wiederum leicht in das „Host-System“ integriert werden können. 

Zum anderen bietet eine leistungsstarke Bildverarbeitungssoftware wie Halcon Technologien, um beispielsweise dreidimensionale Lagebestimmungen durchzuführen oder Fehler von Bauteilen zu erkennen. Konkret können mit Matching-Verfahren Objekte zuverlässig mit einer höheren Genauigkeit als 1/20 Pixel gefunden werden, auch wenn sie teilweise verdeckt sind. Zudem können Bilder geeignet ausgerichtet werden.  

Das subpixelgenaue Shape Matching ist dabei eine der wichtigsten Technologien. Sie ermöglicht das präzise, robuste und sehr schnelle Finden von Objekten. Im Hinblick auf die Qualitätskontrolle ist neben der Prüfung auf Defekte auch die Bestimmung der Maßhaltigkeit essenziell. Dabei wird geprüft, ob die Bauteile in den definierten Toleranzbereichen liegen. Nicht zuletzt ermöglicht die industrielle Bildverarbeitung die subpixelgenaue Vermessung von Kanten entlang von Linien oder Kreissegmenten in weniger als einer Millisekunde.  

Gute Erfolge 

Mit der Roboterzelle konnte die Zykluszeit für das Kleben und Positionieren eines optischen Solarreflektors auf weniger als 45 Sekunden gesenkt werden und eine OEE von größer als 95% erreicht werden. In der Folge kann nun ein großes Panel mit nur noch einem Mitarbeiter in fünf Tagen komplett mit Solarreflektoren eingekleidet werden. Zuvor waren ungefähr zwei Mitarbeiter sieben Tage für ein Panel beschäftigt. Außerdem hat sich die Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter verbessert, da die über Stunden liegenden Tätigkeiten wegfielen und der Kontakt mit dem chemischen Klebstoff verringert wurde. Zudem wurde ein neuer Qualitätssicherungsprozess erfolgreich eingeführt, nämlich das Prüfen der OSR auf Bruchstellen und Kratzer.  

Darüber hinaus dient die Roboterzelle einem weiteren Zweck. Maxime Motisi erklärt dazu: „Mit unserer Solar-Roboterzelle lassen sich nicht nur Satellitenpanels für den tatsächlichen Gebrauch produzieren. Die Anwendung ist auch ein Vorzeigeprojekt für die Robotiklösungen von Thales Alenia Space, das deren Kompetenzen und Fachwissen unter Beweis stellt. Und wir bei Akeoplus sind sehr stolz auf diesen Anwendungsfall. Ich würde sagen, dass dieser Fall eine Zusammenfassung all unserer Fähigkeiten und unseres Know-hows darstellt und es uns ermöglicht, mehr Kunden für unsere innovativen Technologien zu begeistern.“ 

Für Akeoplus war die Kombination von Robotik und industrieller Bildverarbeitung schon immer eine Notwendigkeit, um bisher noch nie umgesetzte Anforderungen zu erfüllen. „Unser Wert liegt in der Verbindung von Spitzentechnologien mit Robotern. MVTec bietet eine dieser Schlüsseltechnologien und ist bereits seit mehr als acht Jahren ein Partner.“  

Bilder: MVTec, Akeoplus 

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