Elektrogreifer

Volle Kraft erhalten!

Volle Kraft erhalten!

Mit zahlreichen Features steigert eine junge Generation mechatronischer Greifsysteme von SMW die Prozesssicherheit und Effizienz von Robotikanlagen. 

Geht es in der Konstruktionsplanung um die Wahl eines Greifersystems, stellt sich oft die Frage: pneumatisch oder mechatronisch angetrieben? Die Antwort lautet wie so oft: Kommt drauf an. Je nach der zu leistenden Aufgabe verfügt jede Antriebsvariante über ihre Vorteile. Pneumatische Greifer gelten als robust und einfach in der Bedienung. Mechatronische Systeme erlauben ein hohes Maß an Prozesskontrolle, was sie flexibler einsetzen lässt und vor allem für Anwendungen mit hohen Sicherheitsanforderungen interessant macht. 

„Auch wenn die pneumatischen Systeme Studien zufolge den Markt mit gut 70 % anführen, erfahren mechatronische Greifer immer mehr Zuwachs“, sagt Tobias Schneider, zuständig für das Business Development bei SMW-Autoblok. „Vor allem im Werkzeug- und Maschinenbau sowie in den Bereichen Medizintechnik und Food übernehmen sie immer mehr Greifaufgaben.“ 

SMW-Autoblok ist spezialisiert auf die Entwicklung und Fertigung mechanischer und mechatronischer Spannsysteme für das Handling von Werkstücken. Dazu gehören auch pneumatische wie mechatronische Greifer. Die Aktivitäten im Bereich digitalisierter Prozesse und Automation sind im Unternehmen SMW-electronics gebündelt. Hier entstand die jüngste Greifergeneration von SMW. Mit ihr zeigt das süddeutsche Unternehmen, wie es diese Aktoren mit neuen Eigenschaften ausstattet und dadurch die Effizienz und Sicherheit insbesondere im Bereich der EOAT-Automation (End-of-Arm-Tooling) weiter steigern kann. 

Variable Baugrößen  

2023 brachte der Hersteller seine Produktreihe Motiact auf den Markt. Mit drei Varianten mechatronischer 2-Finger-Greifer bedient sie die typischen Größenanforderungen unterschiedlicher Branchen: Der MX-S ist mit seiner kompakten Bauweise vor allem für Pick-and-place-Aufgaben sowie für industrielle Cobot-Anwendungen geeignet. Mit 2 x 8 mm Hub und einer Kraft von 200 N kann er Werkstücke von bis zu 1 kg bewegen. Die mittlere Größe MX-M ist ein Universalgreifer mit ebenfalls 2 x 8 mm Hub. Mit 1 200 N bewegt er Objekte von bis zu 6 kg. Für das Handling von Großteilen komplettiert der MX-L als Langhubgreifer die Reihe. Sein Hub beträgt 2 x 99 mm. Für das Greifen bringt er 10 000 bis 40 000 N auf und spannt Werkstücke mit 200 kg empfohlenem Maximalgewicht. 

Im Fokus der Entwicklung von Motiact lag eine optimierte Steuerung der mechatronischen Greifer, um damit ihre Funktionalität zu erhöhen. „Unsere Philosophie war es, sie flexibler und einfacher ansteuerbar zu machen“, sagt Tobias Schneider. Ergebnis sind intelligente Greifsysteme, die den Umgang mit Position und Kraft als Hauptvariablen neu gestalten. 

Als Herzstück fungiert ein hochgenaues, absolutes Wegmesssystem, das in jeder der drei Größen integriert ist. Eine gesonderte Installation oder das Hinzufügen einer Zusatzkomponente für die Positionierung ist damit nicht nötig. Mittels des Wegmesssystems lassen sich die mechatronischen Greifer präzise und flexibel positionieren. Sie erzielen eine Wiederholgenauigkeit von 0,01 bis 0,02 mm. 

Greifer, die sich flexibel ansteuern lassen, können ihre Position genau auf das jeweils zu greifende Werkstück, seine Form und Stabilität anpassen. Die Positionierung erfolgt dabei nahtlos, also ohne den Umweg über die Endlage des Greifers. Für Produktions- oder Bearbeitungsprozesse bedeutet das schnellere Abläufe mit einer höheren Effizienz und mehr Sicherheit. 

Gleiches gilt für den Faktor Kraft. Auch dieser lässt sich bei den Motiact-Greifern variabel steuern. Anwender können die Greifkraft unabhängig von der Greifgeschwindigkeit und dem Hub einstellen. Die Greifer können damit die volle Kraft nutzen, ohne den vollen Hub zu verfahren. Die Einstellung der Greifkraft selbst erfolgt dabei sensitiv. Das heißt, sie ist in feinen Abstufungen skalierbar. Für Anwender ergibt sich somit bei der flexiblen Handhabung unterschiedlicher Werkstücke ein deutlicher Vorteil gegenüber bisherigen Greifermodellen; bei diesen sind häufig vordefinierte Greifprofile abrufbar, die in der Regel nur wenige Abstufungen zwischen „Auf“ und „Zu“ erlauben. 

Kraft und Position bleiben erhalten 

Im Zusammenspiel der flexiblen, genauen Steuerung von Kraft und Positionierung ergeben sich weitere Vorteile. Sollte es zu einem Energieausfall kommen, behält der Greifer seine letzte Position 1:1 bei. Eine Referenzfahrt zur Positionsermittlung ist nicht nötig. Das gleiche gilt für die zuletzt aufgewandte Kraft, die mittels Greifkrafterhalt und durch mechanische Selbsthemmung des Antriebs (MX-S und MX-M) beziehungsweise einer Motorbremse (MX-L) vollständig erhalten bleibt. Das spart zum einen Prozesszeit, zum anderen erhöht es die Prozesssicherheit. Denn ein Werkstück bleibt somit auch bei Energieausfall sicher gegriffen. Ein Aspekt, der insbesondere in Prozessen mit zerbrechlichen oder sensiblen Produkten gefragt ist, beispielsweise im Probenhandling in der Medizintechnik. 

Die Motiact-Greifer werden über die gängigen Kommunikationsprotokolle IO-Link (MX-S und MX-M) und Profinet (MX-L) in das Automationssystem eingebunden. Sie sind geschützt nach IP40 (MX-S), IP64 (MX-M) und IP67 (MX-L) und damit für die Produktionsbedingungen verschiedener Branchen passend ausgerüstet. Zusätzlich bieten die mechatronischen Greifer ein hohes Maß an Energieeffizienz. Sie benötigen allein dann Energie, wenn sie tatsächlich bewegt werden. 

Kein Kabel erforderlich 

Für die Versorgung mit Energie und den Austausch von Signalen hat SMW ebenfalls eine eigene Lösung entwickelt, die die Aktoren in das Automationssystem der digitalen Fabrik einbindet. „Insbesondere für EOAT stellt sich die Herausforderung, wie eine solche Verbindung zwischen der rotierenden Einheit des Greifers und einer stationären Einheit, beispielsweise eines Roboterarms, verlässlich herstellen lässt“, erläutert Tobias Schneider. 

Ergebnis der Entwicklungsarbeit ist ein induktives Koppelsystem, das komplett auf Kabel, Stecker oder Schleifringe verzichtet. Es ermöglicht eine berührungslose Übertragung von Energie und Signalen zwischen Roboterarm und Greifer. Letztere werden berührungslos über einen Luftspalt verschleiß- und wartungsfrei sowohl an das jeweilige Bussystem als auch an die Energieversorgung angebunden. Dadurch wird eine endlose Rotation in beide Richtungen möglich.  

„Im Bereich der mechatronischen Greifer ist entwicklungstechnisch noch einiges zu erwarten“, ist sich Tobias Schneider sicher. „Vor allem das Thema der Künstlichen Intelligenz (KI) wird für die weitere Prozessoptimierung künftig eine wichtige Rolle spielen.“ So könnten Greifsysteme beispielsweise mit lernenden Algorithmen ausgestattet werden, wodurch sich die Variablen Kraft und Position noch individueller und flexibler an Werkstücke und Prozesse anpassen ließen. Auch könnte KI das Condition Monitoring automatisieren. Das Funktionsspektrum mechatronischer Greifsysteme scheint damit noch lange nicht ausgeschöpft. 

Autoren: Michael Röck, Petra Müller, beide SMW-AUTOBLOK Spannsysteme GmbH, Meckenbeuren 

Bilder: 01 SMW-electronics, Zitatfoto: SMW-AUTOBLOK Spannsysteme GmbH, Marco Mehl, sonst. SMW-AUTOBLOK Spannsysteme GmbH 

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