Industrielle Prozesskontrolle

Optische Schwingungsmessung automatisieren

Die Automatisierung der Produktionskontrolle und der damit verbundenen Messabläufe und Auswertungen sind ein zentrales Thema in der modernen Fertigungstechnik. Sie entlasten von Routinearbeiten und machen die Produktionskontrolle effizienter. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich die zur Qualitätskontrolle eingesetzten Laser-Doppler-Vibrometer individuell in die eigene Produktionsumgebung einbinden lassen. Dabei kommt es auf Taktzeiten und Flexibilität an. Laservibrometer stellen deshalb intuitive und leistungsfähige Schnittstellen für die Automatisierung der Messdatenerfassung und -analyse zur Verfügung. Messbereiche, Fokus und Zustandswerte beispielsweise lassen sich dann abgestimmt auf die eigenen Anforderungen zwischen Prüfsoftware und Sensor austauschen.

Laser-Doppler-Vibrometer (vgl. Technikkasten) haben sich sowohl in der Industrie als auch in der Forschung bewährt, wenn Entwickler und Wissenschaftler Dynamik und Akustik unterschiedlichster Objekte messen und optimieren. Weil sie optisch und damit auf Abstand und ohne Einfluss auf das Messobjekt messen, profitiert auch die 100-%-Qualitätskontrolle in Fertigungslinien von dieser Technologie. Mit Echtzeit-Messdaten, hoher Wiederholgenauigkeit und geringen Betriebskosten passen sie in jedes Automatisierungsumfeld (Bild 1). Eine solche Einbindung war bisher keineswegs trivial und es erforderte beispielsweise schon einigen Programmieraufwand, wenn nur die Messdaten ohne Umwege über Datendateien live in das eigene Prüfprogramm übernommen werden sollen. Polytec hat sich dieser Problematik angenommen und stellt für seine Laser-Doppler-Vibrometer in der End-of-Line-Kontrolle leistungsfähige Schnittstellen und Treiber sowie Möglichkeiten für die Automatisierung der Messdatenerfassung und -analyse zur Verfügung, die unterschiedliche Applikationsanforderungen abdecken. Anwender können so die Laser-Sensoren ganz nach ihren Bedürfnissen optimal in die eigene Automatisierungsumgebung integrieren.

Direkt in externe Programme einbinden

Mit „Polytec Device Communication“ beispielsweise steht ein quelloffener und damit plattformübergreifender Treiber unter Microsoft Windows und Linux für die Laser-Sensoren zur Verfügung, über den sich Datenzugriff und Hardwaresteuerung sowie das Auslesen der Betriebszustände einfach programmieren lassen. Dabei gewährleistet die TCP/IP-Schnittstelle eine robuste Kommunikation und das Streamen von digitalen Schwingungsdaten bis in den MHz Bereich. Der Wälzlagerhersteller SKF beispielsweise hat mit Hilfe dieses Treibers ein Industrie-Laser-Vibrometer im Rahmen seiner Null-Fehler-Strategie zur 100-%-Qualitätskontrolle nahtlos in die selbst programmierte Prüfsoftware eingebunden (Bild 2). Über die Ethernet-Schnittstelle können jetzt sowohl die Messparameter über die Software eingestellt als auch die Schwingungsmessdaten vollständig digital übertragen werden. Die Messdaten ermöglichen zusätzlich zur Gut-Schlecht-Prüfung sogar eine differenzierte Fehlerdiagnose bei Schlechtteilen.

Steuerung der Systemsoftware durch externe Programme

Alternativ können Anwender auch über eine COM/DCOM-Schnittstelle auf die Laser-Vibrometer zugreifen. Das bietet sich beispielsweise für Anwender an, die mit den etablierten Programmierwerkzeugen wie MATLAB oder der Programmiersprache Python arbeiten. Sie können über die Schnittstelle auf alle Funktionen der Systemsoftware zur Steuerung des Messsystems zugreifen und so die Gerätesteuerung in die eigene Automatisierungsanwendung integrieren. Gut dokumentierte Objekte und Methoden lassen sich einfach in die anwendungsspezifischen Codes einbinden. Für vollen Zugriff auf die Messdaten – inklusive aller Eigenschaften wie Geometrie und Messparameter – gibt es zudem den frei verfügbaren „API Polytec File Access“ (Application Programming Interface), also eine Sammlung von Befehlen, Funktionen und Objekten, die Programmierer verwenden können, um mit dem Messsystem zu interagieren. Umfangreiche Objektreferenzen und Beispielprogramme für Python, C++, MATLAB®, .NET und Microsoft Excel erleichtern hier den schnellen Einstieg.

Mit der Integration der Vibrometer lassen sich auch Automatisierungslösungen realisieren, die neben den Schwingungsdaten weitere Messgrößen benötigen. Forscher des KAIST (Korea Advanced Institute of Science and Technology) kombinieren zum Beispiel ein PSV Scanning-Vibrometer mit einem scannenden Entfernungsmesser, um die Datenbasis für ein Condition Monitoring an Brücken zu erweitern (Bild 3). Dazu müssen die scannenden Messstrahlen beider Messsysteme exakt synchronisiert werden. Das COM/DCOM Automation Interface des PSV wird hier genutzt, um von einem Industrie-PC als zentralen Server festgelegte Messpunkte anzufahren, den Laserstrahl zu fokussieren und die Messungen auszulösen. Die gesammelten Messdaten beider Messsysteme werden während der Messung vom Server zu einem zentralen Datensatz zusammengeführt. Das COM/DCOM Automation Interface ermöglicht dabei einen einfachen und effektiven Zugriff auf alle Systemfunktionen des Vibrometers.

Integrierte Makrosprache

Mit einer integrierten Makrosprache der Polytec Systemsoftware lassen sich Messung und Auswertungen der Vibrometer direkt in der Polytec-Systemumgebung automatisieren. Die einfach zu nutzende Makrosprache Basic® öffnet den Zugriff auf alle wichtigen Funktionen in einer objektorientierten Programmierumgebung. Die Makros setzen beispielsweise Messeinstellungen, starten Messungen, wenden mathematische Operatoren auf die Messdaten an, schreiben sie in Dateien oder in einen eigenen Kanal („User defined data set“) des Messfiles. Auch Batch-Processing der Messdaten wird so möglich. Damit lässt sich die Produktivität eines Laser-Doppler-Vibrometers erheblich steigern, wie eine Anwendung bei der Qualitätssicherung von Sonotroden fürs Ultraschallschweißen zeigt. Hier ist eine gleichmäßige Energieverteilung entlang der aktiven Oberfläche entscheidend für Medizin- und Lebensmittelsicherheit. Um beste Schweißergebnisse zu gewährleisten, werden die Amplitudenwerte an vordefinierten Punkten mithilfe eines PSV Scanning-Vibrometer gemessen. Die maximalen Spitzenwerte für jeden Punkt werden zusammen mit Qualitätsindikatoren für jede geprüfte Sonotroden-Seriennummer in einer Datenbank abgelegt. Ein auf die Qualitätssicherungsaufgabe zugeschnittenes Makro mit spezifischer Benutzeroberfläche führt den Bediener durch den Prüf- und Dokumentationsvorgang, was die Qualitätskontrolle effizienter macht.

Die Beispiele zeigen, dass sich die Laserdoppler-Vibrometer dank ihrer Software sowie der zur Verfügung gestellten Schnittstellen und Treiber in ganz unterschiedliche Automatisierungsanwendungen passend zu den individuellen Anforderungen integrieren lassen. Wer sich weiter informieren möchte, wird auf der Polytec-Expertenplattform fündig. Hier finden Anwender praktische Tipps und Tricks rund um Installation und Betrieb von Laser-Doppler-Vibrometern. Gerne stehen aber auch die Vibrometer-Experten für persönliche Beratung zur Verfügung und bieten ihre Unterstützung an.

Technikkasten: Der Laser-Doppler-Effekt

Das Verfahren basiert auf der Laser-Doppler-Vibrometrie. Wird ein Lichtstrahl von einem bewegten Objekt reflektiert, so ändert sich die Frequenz des Lichts proportional zu seiner Geschwindigkeit (Bild 5). Dieser Effekt wird als Doppler-Effekt bezeichnet. Auch aus dem Alltag kennt man den nach dem österreichischen Mathematiker und Physiker Christian Doppler (von 1803 bis 1853) benannten Effekt. Jeder hat beispielsweise im Straßenverkehr schon die Erfahrung gemacht, dass ein sich näherndes Einsatzfahrzeug von Polizei oder Feuerwehr Töne mit höherer Frequenz von sich gibt, während eine tiefere Frequenz wahrgenommen wird, wenn es sich entfernt.

In dieser Frequenzverschiebung ist die Geschwindigkeitsinformation kodiert. Sie wird in der Laser-Doppler-Vibrometrie als Messsignal genutzt. Ein Präzisionsinterferometer und eine digitale Dekodierungselektronik wandeln diese Frequenzverschiebung in ein der Schwinggeschwindigkeit proportionales Spannungssignal um, das von allen herkömmlichen Datenerfassungssystemen verarbeitet werden kann. Die Geschwindigkeitsinformation ist unabhängig von der Lichtintensität. Somit eignet sich dieses Messprinzip auch für Messobjekte, die einen sehr geringen Reflexionsgrad haben.

Bilder: Polytec

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