MEMS Sensoren

Quo vadis Niederdruck MEMS-Sensoren

Quo vadis Niederdruck MEMS-Sensoren

Niederdruck MEMS-Sensoren spielen eine entscheidende Rolle in zahlreichen Anwendungen, von Medizintechnik bis Industrie. Ihre Herstellung stellt hohe technologische Anforderungen, insbesondere bei Materialauswahl und Prozessstabilität. Dieser Artikel beleuchtet zentrale Herausforderungen und Lösungen. Welche Innovationen prägen die Zukunft dieser Sensoren? 

Mikro-elektromechanische Systeme (MEMS) sind weit verbreitet in der Sensorik. Sie ermöglichen durch Halbleiterfertigung die Miniaturisierung und skalierte Produktion von Sensoren für verschiedene Messprinzipien. Eine zentrale physikalische Größe ist der Druck, oft Luft- oder Fluiddruck. Je nach Anwendung werden unterschiedliche Einheiten wie Hektopascal beim Wetter, mmHg beim Blutdruck, Bar in Europa oder PSI im englischen Sprachraum verwendet. 

Drucksensoren erfassen immer Druckdifferenzen. Diese können sich zwischen zwei Prozessdrücken oder relativ zum atmosphärischen Druck ergeben. Der atmosphärische Druck variiert je nach Standort und Wetter leicht, was oft vernachlässigbar ist oder sogar stabilisierend wirkt. Wenn eine feste Referenz benötigt wird, dient meist das Vakuum als Bezugspunkt, etwa bei Barometern zur absoluten Messung atmosphärischer Druckänderungen.

Die Messung von Druckdifferenzen erfolgt meist über eine Membran aus Stahl, Keramik oder Silizium, die sich unter Druck verformt. Diese Auslenkung wird erfasst und zur Bestimmung der Druckdifferenz genutzt. Eine verbreitete Methode zur Messung ist der Einsatz von Widerständen, die ihren Wert durch die Verformung ändern. Hierbei wird oft eine Wheatstone-Brücke verwendet, die aus vier Widerständen besteht. Zwei Widerstände verringern sich bei Druck, zwei erhöhen sich. Dadurch entsteht eine messbare Spannung, die verstärkt und weiterverarbeitet wird. 

Piezoresistive MEMS-Drucksensoren nutzen Siliziummembranen, deren Fläche und Dicke die Empfindlichkeit bestimmen. Kleinere Druckdifferenzen erfordern größere, dünnere Membranen. Die Messung erfolgt über Piezowiderstände, die unter mechanischer Spannung ihren Widerstand ändern. Sie werden an der Membranperipherie platziert, wo die mechanische Spannung am höchsten ist. 

Die Anordnung der Piezowiderstände beeinflusst die Widerstandsänderung: Parallel zur Membrankante führt Zugspannung zu geringerem Widerstand, senkrecht dazu erhöht sie ihn. Dies ähnelt dem Verhalten eines Leiters mit variablem Querschnitt oder Länge. Diese Analogie dient der Veranschaulichung des piezoelektrischen Effekts, wobei die Piezowiderstände selbst sich nicht verformen. 

Vom rohen Wafer zum MEMS Chip  

Ein großer Teil der Prozesse zur Herstellung von MEMS-Bauteilen stammt aus der Halbleiterindustrie, darunter Materialabscheidung, Fotolithografie, Ionenimplantation und Ätzen. Zudem gibt es Reinigungsverfahren, um Partikel und Reaktionsprodukte zu entfernen. Besonders Ätzverfahren enthalten zusätzliche Prozesse, die speziell für MEMS-Bauteile genutzt werden. 

Ein zentraler Prozess ist die Abscheidung von Dünnfilmen, mit denen unterschiedliche Materialien auf den Wafer aufgebracht werden, etwa für elektrische Verbindungen. Ein Beispiel ist die chemische Gasphasenabscheidung, bei der reaktive Gase auf den Wafer diffundieren und dort reagieren, sodass sich eine dünne Schicht bildet. Nebenprodukte der Reaktion werden entfernt. 

Diese Schichten müssen anschließend strukturiert werden. Dafür wird in einem ersten Schritt Fotolithografie eingesetzt. Dabei wird ein Fotolack aufgetragen und selektiv durch eine optische Maske belichtet. Je nach Lackart werden anschließend entweder die belichteten oder die unbelichteten Bereiche entfernt. Dadurch entstehen geschützte und exponierte Regionen, die für Ätz- oder Dotierprozesse genutzt werden. 

Bei der Ionenimplantation werden Fremdatome in die Waferoberfläche eingebracht. Die Ionen werden in einem Hochvakuum beschleunigt und durch Maskierung gezielt in bestimmten Bereichen eingebracht. So lassen sich elektrische Eigenschaften wie die Leitfähigkeit von Silizium beeinflussen, was etwa zur Herstellung von Piezowiderständen genutzt wird. 

Alternativ kann der Wafer selektiv geätzt werden. Ätzverfahren lassen sich in Nass- und Trockenätzen unterteilen. Nassätzen erfolgt mit flüssigen Ätzlösungen, während beim Trockenätzen ein Plasma eingesetzt wird. Diese Prozesse dienen entweder der Strukturierung von Materialien oder dem Entfernen von Hilfsschichten wie Fotolack. Entscheidend ist die Ätzselektivität, also das gezielte Abtragen einzelner Materialien, während andere unbeschädigt bleiben. 

Ein besonderes Trockenätzverfahren ist das Deep Reactive Ion Etching (DRIE), das tiefe, senkrechte Strukturen ermöglicht. Dabei wechseln sich Ätz- und Passivierungsschritte ab: Zunächst wird Material durch Ionenbeschuss abgetragen, anschließend wird eine Schutzschicht aufgetragen, die dann selektiv wieder entfernt wird. Durch diese Wiederholungen entsteht eine Mikrostruktur mit orthogonalen Wänden und einer charakteristisch welligen Oberfläche. 

Im Vergleich zum Nassätzen mit Kaliumhydroxid (KOH) bietet DRIE mehrere Vor- und Nachteile. Es ist aufwendiger, da jeder Wafer einzeln bearbeitet wird, während beim Nassätzen mehrere Wafer gleichzeitig prozessiert werden. DRIE erlaubt jedoch eine kompaktere Chipgestaltung, da die Membran senkrecht unterätzt werden kann. Zudem ermöglicht es beliebige Geometrien, während KOH-Ätzprozesse auf rechteckige Strukturen beschränkt sind. So lässt sich die mechanische Spannungskonzentration optimieren. 

Ein weiterer Vorteil von DRIE betrifft die Qualität der geätzten Oberflächen. Besonders bei Niederdrucksensoren spielt die Ebenheit der Membranrückseite eine wichtige Rolle. KOH-geätzte Strukturen weisen eine unebene Rückseite auf, während DRIE eine deutlich glattere Oberfläche liefert. Dies ist besonders für dünne Membranen entscheidend, da bereits geringe Unebenheiten zu großen Abweichungen in der Solldicke führen können. 

Absolut oder differenziell? 

Je nach Anwendung interessiert eine absolute- oder eine relative bzw. differenzielle Druckmessung. Für absolute Drucksensoren muss auf der einen Seite der Membran ein Vakuum erzeugt und gehalten werden, was am einfachsten über Waferbonding gelöst wird. 

Beim Waferbonden werden zwei Wafer flächig miteinander verbunden. Bei MEMS-Drucksensoren handelt es sich beim einen Wafer jeweils um einen wie oben beschriebenen Siliziumwafer. Beim anderen Wafer kann es sich ebenfalls um einen Silizium-, häufiger aber um einen Glaswafer, handeln.  

Es gibt unterschiedliche Waferbondverfahren, wobei bei MEMS-Drucksensoren das anodische Bonden am weitesten verbreitet ist. Die beiden polierten und behandelten Wafer bilden dabei unter Temperatur und elektrischer Spannung eine starke Verbindung. 

Waferbonden kann eingesetzt werden, um Absolutdrucksensor zu fertigen. Dafür muss der Druck auf einer Seite der Membran konstant gehalten werden. Dies gelingt, in dem unter Vakuum-umgebung ein Glaswafer auf die Rückseite eines MEMS Drucksensorwafers gebondet wird. Damit kann jeder von vorne beaufschlagte Druck relativ zum auf der Rückseite der Membran herrschenden Vakuum und damit absolut gemessen werden.  

Vom MEMS-Chip zum Drucksensor 

Piezoresistive MEMS-Drucksensoren wandeln mechanische Spannung in elektrische Signale um. Dabei sollte die mechanische Spannung möglichst nur durch den Druck verursacht werden, während andere Einflussfaktoren minimiert werden. 

Die größte Störquelle ist die Temperatur. Unterschiedliche Materialien dehnen sich bei Temperaturänderungen unterschiedlich aus, was mechanische Spannungen erzeugt. Deshalb werden MEMS-Chips so designt, dass diese Effekte minimiert werden, etwa durch symmetrische Strukturen oder durch Materialien mit ähnlicher thermischer Expansion. 

Nicht nur das Chipdesign, sondern auch die Verbindung zwischen Chip und Gehäuse (Die-Attach) beeinflusst die Sensorleistung. Unterschiedliche thermische Expansionen von Chip und Gehäuse können Spannungen verursachen, die das Sensorsignal verfälschen. Besonders Niederdrucksensoren sind dafür empfindlich. Daher sollten verschiedene Klebstoffe und Applikationsmethoden getestet werden, um die optimale Entkopplung zu gewährleisten. 

Die wichtigsten Eigenschaften des Die-Attach sind dessen Festigkeit, der Abstand zwischen Chip und Gehäuse sowie die Kontamination der Chipwände. Ein weicher Die-Attach absorbiert Spannungen besser. Der Abstand zum Gehäuse sollte groß genug sein, um Spannungen weiter zu minimieren, während eine übermäßige Hochwanderung des Klebstoffs an den Chipwänden vermieden werden muss, da dies die Entkopplung reduziert. 

Eine Möglichkeit zur Verbesserung ist das Hinzufügen eines Rückseitenglases mittels Waferbonden. Glas hat eine ähnliche thermische Expansion wie Silizium, wodurch temperaturbedingte Spannungen reduziert werden. Zudem absorbiert das Glas externe Spannungen, was die Montage erleichtert. Allerdings hat Glas den Nachteil, dass es amorph ist. Im Gegensatz zu kristallinem Silizium kann es sich über lange Zeiträume geometrisch verändern, was zu mechanischen Spannungen im Chip führt. Dieser Effekt zeigt sich als Zero-Offset-Drift, der besonders bei Niederdrucksensoren problematisch ist. Für höchste Langzeitstabilität ist daher ein gut implementierter Die-Attach meist vorteilhafter als ein Rückseitenglas. 

Die optimale Sensorkonstruktion hängt von der Anwendung ab. Faktoren wie Medium, Druckbereich und Langzeitstabilität müssen gemeinsam betrachtet werden, um die beste Lösung für eine spezifische Applikation zu finden. 

Autor: Janosch Dusoczky, Product Manager MEMS Pressure Sensors  

Bilder: Angst+Pfister 

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